13.11.2009

Bleifreie Piezoelektrika

In dünnen Schichten aus Wismuteisenoxid können zwei Kristallstrukturen koexistieren und legen die Basis für einen großen piezoelektrischen Effekt.

In dünnen Schichten aus Wismuteisenoxid können zwei Kristallstrukturen koexistieren und legen die Basis für einen großen piezoelektrischen Effekt.

  

Sie finden sich in Feuerzeugen, in Drucksensoren oder in Positioniersystemen hochauflösender Mikroskope: Milliarden von Piezoelementen wandeln Druck in elektrische Spannung oder umgekehrt Strompulse in kleinste Bewegungen um. Der Markt wird allerdings von bleihaltigen Keramiken mit Perowskit-Kristallstrukturen wie Blei-Zirkonat-Titanaten (PZT) oder Blei-Magnesium-Niobaten (PMN) dominiert. Doch nun entdeckte ein internationales Team von Physikern eine bleifreie Alternative: Dünne Filme aus Wismuteisenoxid.

In solchen Materialien finden sich sehr große Reaktionen auf äußere Stimulationen meistens an Phasengrenzen. So grenzen in den weit verbreiteten, bleihaltigen Piezoelektrika kubische Kristallstrukturen an tetragonale an. Die hauchdünnen, nur zwischen 85 und 200 Nanometer dicken Schichten aus Wismuteisenoxid weisen ebenfalls zwei verschiedene, koexistierende Kristallstrukturen auf, bei der sich die Atome in einem rhomboedrischen oder einem tetragonalen Gitter anordnen können.

Auf unterschiedlichen Substraten aus Yttrium-, Lanthan- oder Strontiumoxiden gelang es Robert Zeches von der University of California in Berkeley und seinen Kollegen aus Irland, Taiwan und von weiteren US-Universitäten

nun, die dünnen Wismuteisenoxidschichten epitaktisch aufwachsen zu lassen. Für eine stabile Koexistenz beider Kristallstrukturen allerdings eignete sich Lanthanaluminiumoxid am besten. Aufnahmen eines Transmissionselektronenmikroskops belegten eindeutig die scharf voneinander abgegrenzten rhomboedrischen und tetragonalen Kristallgitter.


 

Abb.: Unter dem Transmissionselektronenmikroskop werden die beiden Kristallstrukturen der piezoelektrischen Wismuteisenoxidschichten - eine rhomboedrische und eine tetragonale - sichtbar. (Bild: AAAS, Science)

Um die Stärke des piezoelektrischen Effekts dieser dünnen Schichten zu bestimmen, legten die Wissenschaftler große Spannungsfelder von bis zu 1880 kV/cm an. Bei den höchsten Spannungswerten zeigten sich - wie zu erwarten war - die größten mechanischen Reaktionen. Bei einer Schichtdicke von 85 Nanometern beispielsweise konnten Verschiebungen von bis zu zwei Nanometern gemessen werden. Verantwortlich für diese Ausdehnungen um etwa 2,4 Prozent ist der durch die elektrischen Spannungen verursachte, reversible Phasenwechsel zwischen den beiden Kristallstrukturen.

Mit diesen Werten können die Wismuteisenoxid-Schichten durchaus mit den etablierten Blei-Verbindungen konkurrieren. Die Gruppe um Robert Zeches hat dabei besonders bleifreie Piezo-Aktoren und piezoelektrisch gesteuerte Leseköpfe für digitale Massenspeicher im Sinn. Zwar ist die Herstellung dieser dünnen Schichten heute noch recht aufwändig, doch könnte schon bald ein wirtschaftliches Aufdampf-Verfahren entwickelt werden. Wesentliches Resultat dieser Studie bleibt jedoch, dass durch eine möglichst genaue Kontrolle der Kristallstrukturen dünne Schichten zu gewünschten, physikalischen Eigenschaften getrimmt werden können.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos

Weiterführende Literatur:

  • V. M. Goldschmidt: Crystal structure and chemical constitution.Trans. Faraday Soc. 25 , 253 (1929)
  • http://dx.doi.org/10.1039/TF9292500253
  • S. Hong, Ed.: Nanoscale Phenomena in Ferroelectric Thin Films. Kluwer Academic Publishing, Boston, MA (2004)
  • H. Béa et al .: Evidence for Room-Temperature Multiferroicity in a Compound with a Giant Axial Ratio. Phys. Rev. Lett. 102, 217603 (2009)
  • http://dx.doi.org/10.1103/PhysRevLett.102.217603

 KP

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