10.08.2016

Blitzschnelle Lagebilder

Optisches Kamerasystem erstellt in Sekundenschnelle dreidimensionale Lagebilder – geplanter Einsatz in Katastrophengebieten.

Erdbeben, Hangrutschungen, Tsunamis und andere Katastrophen können die Gestalt der Erd­oberfläche jäh verändern. Im Einsatzfall benötigen Rettungskräfte und Behörden dann möglichst schnell aktuelle und präzise Lage­informationen. Mit Hilfe eines optischen Kamera­systems kann das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) binnen Sekunden aktuelle hoch­auflösende 3D-Gelände­modelle liefern – direkt vom Flugzeug oder Hubschrauber aus. Noch während eines Überflugs erhalten die Einsatz­kräfte damit drei­dimensionale Lagebilder der betroffenen Regionen, wichtig etwa bei Hangrutschungen oder Sturm­katastrophen: Schäden an Gebäuden, Straßen und Brücken lassen sich umgehend beurteilen.

Abb.: Die Aufnahme des Schlosses Neuschwanstein erfolgte aufgrund der großen Höhenunterschiede unter schwierigsten Bedingungen. (Bild: DLR)

Auch für die Verkehrsbeobachtung oder für die Weiter­verarbeitung etwa zu Hochwasser­karten eignen sich die Daten. Die Leistungs­fähigkeit des Kamera­systems wurde im Rahmen des Projekts VABENE++ (Verkehrs­management bei Groß­ereignissen und Katastrophen) nun unter Beweis gestellt. Im Projekt VABENE++ entwickeln Forscher leistungs­fähige Unterstützungs­werkzeuge für Behörden und Organisationen mit Sicherheits­aufgaben und Verkehrs­behörden für den Umgang mit Katastrophen und Groß­veranstaltungen. Als Test­gebiete wählten die Wissenschaftler die Innenstadt von München sowie das alpine Gebiet um Schloss Neuschwan­stein.

Bislang waren erhebliche Rechnerkapazitäten notwendig, um Höhenmodelle in Echtzeit zu erstellen. Nun lässt sich ohne aufwändige Infra­struktur und in gerade einmal 1,8 Sekunden ein Gelände­modell mit einer Auflösung von 50 Zentimeter erzeugen – mit dem „3K”- und „4k”-Kamera­system des DLR-Instituts für Methodik der Fern­erkundung, welches für den Einsatz im Flugzeug bzw. Hubschrauber entwickelt wurde. Für die Testflüge standen die Cessna C-208B Grand Caravan sowie der Eurocopter BO 105 der DLR-Einrichtung Flug­experimente zur Verfügung.

„Wir waren schon sehr gespannt auf die ersten hoch­aufgelösten 3D-Bilder. Die Daten in Echtzeit zu verarbeiten, ist alles andere als trivial und wir hatten zunächst auch mit Problemen zu kämpfen. Umso schöner war es dann, als wir über Neuschwan­stein mitverfolgen konnten, wie Bild um Bild, flächen­deckend die Gelände­modelle entstanden sind. Damit haben wir einen wichtigen Meilen­stein im Projekt erreicht", so Franz Kurz vom DLR-Institut für Methodik der Fern­erkundung über die erfolgreiche Testkampagne. Für die Echtzeit­verarbeitung vereinfachten und beschleunigten die Luftbild­experten das bereits sehr schnelle, am DLR entwickelte „Semi-Global-Matching Verfahren": Analog zum räumlichen Sehen des Menschen werden die Unterschiede zwischen zwei sich überlappenden Bildern genutzt, um aus dem Versatz die Höhen­informationen zu gewinnen.

Damit die Prozessierung stets mit der Aufnahmegeschwindigkeit der Kameras an Bord Schritt hält, wird die Auflösung der Höhenmodelle an das Gelände angepasst. In Gebieten mit großen Relief­unterschieden wird die Boden­auflösung reduziert – und die Rechenzeit dadurch gering gehalten. Dieser Heraus­forderung stellte sich das Team im Testgebiet um Schloss Neuschwanstein, das einen Höhen­unterschied von 1.000 Metern aufweist: Trotz erhöhter Rechen­anforderungen konnte das 3K-Kamerasystem das Gelände­modell mit einem Meter Auflösung berechnen, synchron zum Aufnahme­rhythmus.

Bei der Entwicklung seines 3K- und 4k-Kamerasystems verzichtet das Institut für Methodik der Fern­erkundung auf spezielle Sensoren und komplexe Bauteile, und nutzt stattdessen handels­übliche Elemente aus dem Consumerbereich. Dadurch bleiben die Kosten sehr niedrig. Das gibt Behörden künftig die Möglichkeit, ihre Hubschrauber- und Flugzeug­flotten mit dem Kamera­system auszustatten. Gleichzeitig profitiert das System von der hohen Dynamik am Markt, so dass die Entwickler auch weiterhin Fortschritte in Leistung und Geschwindigkeit realisieren können – zügig, unkompliziert und ohne teure Neu­entwicklungen.

DLR / DE

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