17.11.2003

Boeing fordert Airbus heraus

Mit der geplanten Boeing 7E7 will Boeing an alte Glanzzeiten anknüpfen.

Hamburg (dpa) - Nach dem erst vollmundig propagierten und dann schmählich gescheiterten Boeing-Projekt Sonic Cruiser gibt es keine Zweifel mehr: Die geplante Boeing 7E7, deren Markteintritt Boeing-Chef Phil Condit jetzt für 2008 prophezeit hat, ist eine riesige Herausforderung für Airbus. Mit diesem zweistrahligen Mittel- und Langstrecken-Flugzeug will der US-Gigant wieder an alte Glanzzeiten anknüpfen, nachdem die Europäer in den vergangenen Jahren mit den erfolgreichen Airbus-Flugzeugen und dem künftigen doppelstöckigen Riesen A380 weltweit Tempo und Marschrichtung im modernen Flugzeugbau bestimmt haben.

So wird die geplante Boeing 7E7 einmal aussehen. Die ersten Flugzeuge sollen 2008 in Dienst gehen. (Quelle: Boeing)

Doch nun horcht die Branche auf: Die Boeing 7E7 soll neue Maßstäbe setzen. Der «Dreamliner», so der populäre Name, soll technologisch dort beginnen, wo der 550-sitzige Airbus A380 aufhört. 50 Prozent des Flugzeuges sollen aus Verbundwerkstoffen - ein revolutionärer Schritt im zivilen Flugzeugbau -, 20 Prozent aus Aluminium, 15 Prozent aus Titan und 15 Prozent aus anderen Materialien einschließlich Stahl bestehen. Das Flugzeug soll in punkto Wirtschaftlichkeit sprich Treibstoffreduzierung um rund 20 Prozent besser werden als vergleichbare heutige Jets. Der 55,5 Meter lange Twinjet soll mit 200 bis 250 Passagieren 12 200 bis 14 800 Kilometer weit fliegen können; eine Kurzstreckenversion ist für 300 Passagiere geplant.

Mit diesem Flugzeug, dessen Entwicklungskosten auf gut acht Milliarden Dollar veranschlagt werden (für die A380 über elf Milliarden Dollar) will Boeing die große Lücke schließen, die sich Ende dieser Dekade auftun wird. Die Fluggesellschaften werden dann Nachfolger für die Boeing 757 und 767 sowie für die europäischen Konkurrenzprodukte A310 und A300-600 benötigen. Für diesen gewaltigen Markt will Boeing gerüstet sein. Die Zeichen stehen gut für Boeing, denn Airbus dürfte es sehr schwer fallen, bald zu kontern. Zwar arbeiten kleine Entwicklungsteams auch an verschiedenen Nachfolgemodellen - ein «Geisterflugzeug» der Europäer fliegt unter dem Titel A30X durch die Computer - aber das A380-Programm sowie die A340-500 und A340-600 lassen derzeit nicht mehr viel finanziellen Spielraum für neue Projekte.

Der Zeitplan für den «Dreamliner» steht bereits: Nachdem Boeing in den letzten Wochen umfangreiche Informations-Gespräche mit rund 80 Fluggesellschaften geführt hat, ist damit zu rechnen, dass spätestens im kommenden Sommer - möglicherweise sehr spektakulär auf der englischen Flugschau in Farnbourough - das offizielle «Go ahead» kommen wird. Bis Mitte 2005 dürfte dann die genaue Konfiguration feststehen, so dass 2007 der Erstflug stattfinden und 2008 die ersten Maschinen ausgeliefert werden könnten.

Das Rätselraten über die Launching Customer für die Boeing 7E7 hat bereits begonnen - Launching Customer sind potente Airlines mit erfahrenen Ingenieur-Teams, die entscheidenden Einfluss auf die Entwicklung neuer Flugzeuge nehmen und dann als Erstkunden auch in den Genuss erheblicher Rabatte kommen. Im Gespräch sind British Airways und Lufthansa. Zudem ist sicher, dass die Lufthansa, die in den letzten Jahren durch Milliarden-Deals mit Airbus für Aufsehen gesorgt hat, auch weiter um ein ausgewogenes Verhältnis zu Boeing bemüht sein wird, vorausgesetzt die Amerikaner können mit effizienten Angeboten aufwarten. Auch die japanische All Nippon Airlines (ANA), einer der treuesten asiatischen Boeing-Kunden, sowie die US-Gesellschaften Delta Airlines und Continental könnten als Launching Customer auftreten.

Karl Morgenstern, dpa

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