C-14-Verfahren gegen Übergewicht
Physiker analysieren menschlichen Fettstoffwechsel.
Basis für Vorbeugung und Behandlung von Übergewicht ist ein besseres Verständnis des menschlichen Fettstoffwechsels. Physiker der Universität Wien haben in einer internationalen Zusammenarbeit unter schwedischer Leitung mit Hilfe der C-14-Methode das menschliche Fettgewebe untersucht. Die Forscher haben das Alter von menschlichem Fettgewebe bestimmt. Es zeigte sich das Übergewichtige mehr Fett über längere Zeit speichern.
Abb.: Forscher am Vienna Environmental Research Accelerator (VERA). (Bild: Universität Wien)
Das menschliche Fettgewebe dient als „Sparkasse“ für Fettsäuren, die es in chemischer Form als Triglycerid-Moleküle speichert. Obwohl sich die Körperfettmasse aus der Bilanz von Aufnahme und Abbau ergibt, ist die Dynamik dieser Prozesse kaum bekannt. So war bisher nicht klar, wie lange menschliche Fettsäuren gespeichert werden, oder ob es etwa mehrere Reservoirs mit unterschiedlich langer Speicherdauer gibt.
Da alle organischen Stoffe auf der Erde durch die oberirdischen Kernwaffentests in der Mitte des 20. Jahrhunderts eine „Zeitmarke“ bekommen haben, ist es möglich, ihren Entstehungszeitpunkt zu bestimmen. Die Konzentration des auch natürlich vorkommenden, radioaktiven Spurenisotopes Kohlenstoff-14 (C-14) in der Atmosphäre stieg infolge der Versuche kurzzeitig auf das Doppelte an, nahm seit 1963 aber wieder kontinuierlich ab, weil seither auf oberirdische Tests weitgehend verzichtet wird. Das C-14 wandert in den Ozean. Jedes Jahr seit 1963 hatte einen typischen C-14-Gehalt in der Atmosphäre, der sich über Photosynthese in Pflanzen und über die weitere Nahrungskette auch in Tieren und Menschen widerspiegelt. Die Messung des Isotopen-Gehalts in organischen Stoffen erlaubt den Entstehungszeitpunkt zu bestimmen. Diese Art der Datierung ist der aus der Archäologie bekannten C-14-Methode ähnlich.
Eine Gruppe von Wissenschaftern unter der Federführung des Karolinska Universitätsspitals und des Karolinska Instituts in Stockholm hat dieses Verfahren angewandt, um das Alter von Triglyceriden aus menschlichem Fettgewebe zu bestimmen. Die Untersuchungen ergaben, dass das durchschnittliche Alter von Triglyceriden bei Normalgewichtigen bei 1,3 Jahren liegt. Frühere Vermutungen wurden damit bestätigt. Dieser Wert war bei Normalgewichtigen unabhängig von Geschlecht oder Alter gleich, auch verschieden große Fettzellen aus demselben Gewebe zeigten keine Unterschiede.
Deutliche Unterschiede bestanden jedoch zwischen normal- und übergewichtigen Probanden. Übergewichtige zeigten sowohl eine um etwa 50 Prozent erhöhte Fettaufnahme als auch eine längere Speicherdauer von 2,1 Jahren. Beides trägt dazu bei, dass Übergewichtige ungefähr das doppelte Körperfett mit sich herumtragen. Um etwas über den biologischen Mechanismus herauszufinden, wurde Fettgewebe der Probanden auch im Labor untersucht. Fettzellen, die von Personen besonders lange gespeichert worden waren, ließen sich auch im Reagenzglas schwer zum Abbau stimulieren.
Untersucht wurde auch der Zusammenhang zur Insulinresistenz. Dabei handelt es sich um eine Stoffwechselstörung, die mit Übergewicht und Diabetes einhergeht. Bei insulinresistenten Personen war die Fettaufnahme zwar unverändert, die Speicherdauer aber verlängert. Auch Patienten, die an familiär kombinierter Hyperlipidämie leiden, wurden untersucht. Dabei handelt es sich um eine erbliche Fettstoffwechselkrankheit, von der etwa eine von 250 Personen betroffen ist und die schon in mittleren Jahren Herzinfarkte verursachen kann. Diese Patienten zeigten eine reduzierte Fettaufnahme und einen langsamen Abbau. Ihr Fettgewebe kann also seine biologische Aufgabe, Fett zu speichern und in schlechten Zeiten wieder abzugeben, nicht erfüllen.
Die Forscher der Universität Wien sind Spezialisten für die Messung von C-14. Sie arbeiten am Vienna Environmental Research Accelerator (Vera), der an der Fakultät für Physik beheimatet ist. Der Beschleunigermassenspektrometer Vera ist eine Großforschungsanlage an der Universität Wien mit interdisziplinärer Widmung. Vera erlaubt die Messung zahlreicher Spurenisotope, die in vielen Wissenschaftsdisziplinen wie Umweltwissenschaften, Geologie und Archäologie Verwendung finden. Die für die Triglyceride verwendete Methode wurde von Peter Steier von der Isotopenforschung der Universität Wien ursprünglich zur Messung von Gletschereisproben entwickelt.
Uni Wien / PH