19.09.2014

Deformierte Fermi-Flächen

Geometrie der Wechselwirkung von Teilchen beeinflusst Quanteneigenschaften von Materialien.

Ein Forscherteam der Universität Innsbruck hat in einem Experiment beobachtet, wie anisotrope Eigenschaften von Teilchen die Fermi-Fläche eines Quantengases deformieren. Die Arbeit legt den Grundstein für neue Untersuchungen darüber, wie die Geometrie der Wechselwirkung von Teilchen die Quanteneigenschaften von Materialien beeinflusst.

Das Verhalten eines Materials wird von dessen energetischer Struktur bestimmt. Ein wichtiges Konzept der Festkörperphysik zur Beschreibung der Energiezustände zum Beispiel der Elektronen eines Metalls ist die Fermi-Fläche. Elektronen sind Fermionen und gehorchen dem Paulischen Ausschlussprinzip, wonach zwei Fermionen nicht gleichzeitig am gleichen Ort einen identischen Quantenzustand besetzen können. Für Elektronen und andere Fermionen mit isotropen Wechselwirkungen ergibt sich eine Fermi-Fläche in der Form einer Kugel. „Das ist in der Natur der Normalfall und bildet die Basis vieler physikalischer Phänomene“, sagt Francesca Ferlaino. „Ist die Wechselwirkung der Teilchen anisotrop, so verändert sich das physikalische Verhalten eines Systems vollständig. Die anisotrope Wechselwirkung deformiert die Fermi-Fläche zu einem Ellipsoid.“ Genau eine solche Deformation konnten Ferlaino und ihre Kollegen nun zum ersten Mal beobachten.

Die Forscher haben dazu ein Gas aus fermionischen Erbiumatomen in einer Falle aus Laserlicht eingesperrt und bis nahe an den absoluten Nullpunkt abgekühlt. Das Element Erbium besitzt einen stark magnetischen Charakter, der zu einem extrem dipolaren Verhalten führt. Die Wechselwirkung zwischen den Atomen ist daher richtungsabhängig. Wenn die Wissenschaftler das ultrakalte Gas nach dem Abkühlen der Teilchen aus der Falle entlassen, können sie aus der Impulsverteilung der Teilchen auf die Form der Fermi-Fläche schließen. „Erbiumatome verhalten sich ähnlich wie Magnete, ihre Wechselwirkung ist stark von der Richtung abhängig, in der die Teilchen aufeinander treffen. Unser Experiment zeigt, dass die Form der Fermi-Fläche von der Geometrie der Wechselwirkung abhängt und nicht mehr kugelförmig ist“, erklärt Kiyotaka Aikawa das äußert schwierig zu beobachtende Phänomen. Ursache für die Deformation der Fermi-Fläche ist das Zusammenspiel der magnetischen Wechselwirkung und die Tatsache, dass Fermionen auf unterschiedliche Energieniveaus verteilt sein müssen.

„Es geht hier um die sehr generelle Frage, wie die Geometrie der Wechselwirkung von Teilchen die Quanteneigenschaften eines Materials beeinflusst“, so Ferlaino. An der Beantwortung dieser Frage sind Physiker vieler Fachgebiete interessiert, wie etwa der Hochtemperatursupraleitung. Ultrakalte Quantengase können hier als Testfeld für die Simulation komplexer Szenarien dienen. „Für die Entwicklung neuer Quantenmaterialien ist ein besseres Verständnis dieser Eigenschaften notwendig“, betont Ferlaino. „Nur wenn wir verstehen, wie die Wechselwirkung der Teilchen das Material beeinflusst, können wir Aussagen über mögliche Eigenschaften neuer Materialien machen.“

LFU / RK

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