16.10.2012

Die Atlantische Wärmepumpe: Europas Fernheizung

Die Zirkulation des Atlantiks war während der letzten Eiszeit schneller als heute.

Der Wärmetransport im Atlantischen Ozean war während der letzten Eiszeit nicht etwa schwächer, wie lange Zeit angenommen, sondern tatsächlich stärker als heutzutage. Das hat ein internationales Forscherteam unter Leitung von Umweltphysikern der Universität Heidelberg herausgefunden. Die Wissenschaftler haben mit Hilfe hochpräziser Messungen von natürlichen Radionukliden in Meeressedimenten die Zirkulationsstärke des Ozeans untersucht und dabei neue Erkenntnisse zur Vergangenheit der „Atlantischen Wärmepumpe“ gewonnen. Die Forschungsergebnisse sind für Vorhersagen künftiger Klimamodelle von Bedeutung.

Stark vereinfachtes Schema der Ozeanzirkulation: Warmes und sehr salzhaltiges Oberflächenwasser (rot) transportiert Wärme in den Nord Atlantik. Durch Abkühlung erhöht sich die Dichte des Wassers; es fließt in der Tiefe zurück nach Süden (blau). In einem Diffusionsprozess vermischt sich das Tiefenwasser und kommt im Indischen und Pazifischen Ozean wieder nah oder ganz an die Oberfläche. Hierdurch schließt sich der Kreis des globalen Ozean-Förderbands. (Bild: Brisbane, CC BY-SA 3.0)

„Dank des Golfstroms und seiner nördlichen Ausläufer ist es hierzulande weit wärmer als auf denselben Breitengraden in Nordamerika. Ohne den Wärmetransport des Meeres mit einer vergleichbaren Leistung von einer Million Großkraftwerken würden in Nord- und Westeuropa deutlich kühlere Temperaturen herrschen“, erläutert Jörg Lippold vom Institut für Umweltphysik der Universität Heidelberg. Die „Fernheizung Europas“ entspringt im Golf von Mexiko, wo sich das Meer aufheizt und dann gelenkt durch Winde und die Erddrehung warmes Wasser nach Nord-Ost strömen lässt. Dabei kühlt das Oberflächenwasser ab, wird dadurch immer dichter und sinkt im Nordatlantik, um schließlich in der Tiefe wieder zurück nach Süden zu fließen.

„Diesen Rückfluss konnten wir nun mithilfe zweier exotischer Vertreter des Periodensystems aus Bohrproben im Tiefseesediment des Atlantiks erstmals quantitativ bestimmen“, so der Heidelberger Wissenschaftler. Die beiden untersuchten Isotope – dies sind 231-Protactinium und 230-Thorium – entstehen aus dem radioaktiven Zerfall des im Meerwasser natürlich vorkommenden Urans. Während Thorium ohne Umwege ins Sediment am Meeresboden eingelagert wird, folgt das Protactinium der Zirkulation und wird mit der Strömung der Tiefsee aus dem Nordatlantik befördert. Das Mengenverhältnis der beiden Stoffe im Sediment spiegelt daher die Strömungsstärke wider. Um die Zeit der größten globalen Eisbedeckung vor rund 20.000 Jahren wurde im Verhältnis weniger 231-Protactinium gemessen. Wie Lippold erläutert, lässt sich dies, unterstützt durch Modellrechnungen, als eine Verstärkung der Atlantischen Zirkulation deuten.

Für Modelle zur Berechnung des globalen Klimas spielt die Erkenntnis, dass in der Eiszeit der Atlantik schneller zirkulierte, eine wichtige Rolle. Die Korrektheit der Vorhersagen von Klimamodellen wird nicht zuletzt daran gemessen, ob sie das Klima der Vergangenheit richtig wiedergeben können. „Ein entscheidender Faktor im Klimasystem der Erde sind die Ozeane. Im Meerwasser der Erde ist ungefähr fünfzig Mal mehr CO2 gebunden als in der Atmosphäre, und es besitzt deren 1000fache Wärmespeicherkapazität“, sagt Lippold. „Wenn der Ozean damals schneller zirkulierte, konnte er auch mehr CO2 aufnehmen und der Atmosphäre entziehen.“

Das Verstehen dieser Zusammenhänge hat für weite Teile Europas eine besondere Bedeutung: „Sollte sich im Zuge des Klimawandels das Meer erwärmen und sich durch Schmelzwasser oder vermehrte Niederschläge die Dichte des Wassers im Nordatlantik verringern, könnte die Wärmepumpe ins Stocken geraten. Das würde paradoxerweise in Europa zu einer Abkühlung führen, während sich der übrige Globus aufheizt“, sagt der Heidelberger.

Grundlage für die groß angelegte Studie des internationalen Forscherteams waren Messungen an Massenspektrometern und Teilchenbeschleunigern, mit denen die erforderlichen Konzentrationsmessungen im Bereich von nur wenigen Picogramm durchgeführt werden konnten. An der Untersuchung unter Leitung von Jörg Lippold waren Wissenschaftler aus Vancouver, Paris, Oxford, Zürich, Lyon, Bristol und Tübingen beteiligt.

U. Heidelberg / VK

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