28.04.2020

Die Masse des Universums

Kilo-Degree Survey mit verfeinerter Methode zur Massebestimmung.

Neue Erkennt­nisse über die Materie­dichte und -struktur des Universums haben Bochumer Kosmologen um Hendrik Hildebrandt gewonnen. Bereits vor mehreren Jahren war Hildebrandt Teil eines Forschungs­konsortiums gewesen, das auf Diskre­panzen in den Daten zwischen verschiedenen Gruppen aufmerksam gemacht hatte. Die ermittelten Werte für Materie­dichte und -struktur waren je nach Messmethode unterschiedlich. Eine neue Analyse, die zusätzliche Infrarot­daten miteinbezog, ließ die Unter­schiede noch deutlicher werden. Sie könnten darauf hinweisen, dass das das Standard­modell der Kosmologie fehlerhaft ist.

Abb.: Masse­reiche Objekte im Universum sind keine perfekten Linsen. Während...
Abb.: Masse­reiche Objekte im Universum sind keine perfekten Linsen. Während sie das Licht ablenken, erzeugen sie Verzer­rungen. Die Bilder sehen so aus, als ob man durch den Fuß eines Wein­glases schaut. (Bild: R. Schirdewahn / RUB)

Materiedichte und -struktur können Forschungs­teams zum einen basierend auf dem kosmischen Mikrowellen­hintergrund berechnen. Dieses Verfahren hat das Planck-Forschungskonsortium verwendet. Das Team des Kilo-Degree Survey, und einige andere Gruppen, bestimmten die Materiedichte und -struktur mithilfe des Gravitations­linseneffekts: Massereiche Objekte lenken das Licht von Galaxien ab, sodass diese Galaxien von der Erde aus betrachtet mit verzerrter Form an einer anderen Stelle erscheinen, als sie tatsächlich sind. Aus diesen Verzer­rungen können Kosmologen auf die Masse der ablenkenden Objekte und somit auf die Gesamtmasse des Universums zurückschließen. Dazu müssen sie jedoch unter anderem die Abstände zwischen Lichtquelle, ablenkendem Objekt und Beobachter kennen. Diese wiederum ermitteln die Forscher mithilfe der Rot­verschiebung, die besagt, dass das Licht weiter entfernt liegender Galaxien ins Rote verschoben auf der Erde ankommt.

Um Entfernungen zu ermitteln, nehmen Kosmologen daher Bilder der Galaxien bei unterschiedlichen Wellenlängen auf, zum Beispiel eines im blauen, eines im grünen und eines im roten Bereich; dann bestimmen sie die Helligkeit der Galaxien auf den verschiedenen Bildern. Hendrik Hildebrandt und sein Team beziehen dabei zusätzlich mehrere Aufnahmen aus dem infra­roten Bereich ein, was die Präzision der Entfernungsbestimmung verbessert. Frühere Analysen hatten bereits gezeigt, dass die auf dem Mikrowellen­hintergrund basierenden Daten des Planck-Konsortiums systematisch von den Gravitations­linseneffekt-Daten abweichen. Je nach Datensatz war die Abweichung mehr oder weniger stark ausgeprägt, am stärksten beim Kilo-Degree Survey. „Unser Datensatz ist der einzige, der auf dem Gravitations­linseneffekt beruht und mit zusätzlichen Infrarotdaten kalibriert ist“, sagt Hendrik Hildebrandt, Heisenberg­professor und Leiter der Arbeits­gruppe Beobachtende Kosmologie in Bochum. „Das könnte der Grund für die stärkere Abweichung zu den Planck-Daten sein.“

Um diese Diskrepanz zu überprüfen, wertete die Gruppe den Datensatz eines anderen Forschungs­konsortiums, des Dark Energy Survey, mithilfe einer ähnlichen Kalibrierung aus. Dadurch entfernten sich auch diese Werte weiter von den Planck-Werten. Ob es sich bei der Diskrepanz zwischen den Datensätzen tatsächlich um einen Hinweis darauf handelt, dass das Standard­modell der Kosmologie falsch ist oder nicht, diskutieren Wissenschaftler derzeit. Das Team des Kilo-Degree Survey arbeitet bereits an einer neuen Analyse eines umfang­reicheren Daten­satzes, der weitere Erkenntnisse beisteuern könnte. Voraus­sichtlich im Frühjahr 2020 werden sie noch präzisere Daten für Materiedichte und -struktur liefern können.

RUB / JOL

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