Die Wirkung energiereicher Ionenstrahlung
Physiker der Universität Jena modifizieren Halbleitermaterial mit Teilchenbeschleunigern
Jena - Der weltweit größte Teilchenbeschleuniger steht nahe Genf in der Schweiz. Doch neben der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN), die mit diesem Giganten Kernphysik betreibt, arbeiten auch andere Forschungsinstitute mit Teilchenbeschleunigern. Gleich zwei davon hat die Friedrich-Schiller-Universität Jena. Hier werden jedoch keine Elementarteilchen studiert, sondern Materialeigenschaften verändert - und das bereits seit 1969.
"Wenn ein Material mit energiereichen Teilchen beschossen wird, ändern sich seine Eigenschaften", erläutert Werner Wesch vom Institut für Festkörperphysik der Universität Jena. Je höher dabei die Energie ist, mit der die Teilchen auftreffen, umso tiefer dringen sie in das Material ein. Bei sehr hohen Teilchenenergien werden einige Werkstoffe dabei so heiß, dass sie kurzzeitig schmelzen, dann aber sofort wieder erstarren. "Diesen Prozess des Übergangs von fester zu flüssiger Materie und das anschließende erneute Verfestigen wollen wir untersuchen", so Wesch. In enger Zusammenarbeit mit Kollegen von der Australian National University in Canberra wollen die Jenaer Physiker diese Prozesse nun erforschen. Das Forschungsvorhaben wird für die nächsten drei Jahre mit rund einer Million Australische Dollar, umgerechnet etwa 516.000 Euro, gefördert. Zusätzlich finanziert der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) Reisekosten für Werner Wesch und seine Mitarbeiter nach Canberra. Gemeinsam wollen die Wissenschaftler mit den an beiden Einrichtungen vorhandenen Beschleunigern untersuchen, wie sich die deutlich unterschiedlichen Energien der beschleunigten Teilchen auf die Eigenschaften gängiger Halbleitermaterialien auswirken.
"Bei einigen Materialien wird bei Hochenergiebestrahlung durch den Phasenübergang die Struktur verändert", weiß Wesch. Dadurch gehe im Falle kristalliner Materialien im Bereich der Ionenbahn die kristalline Struktur verloren. Es entstehen Nanostrukturen, die andere Eigenschaften haben als das umgebende Material. Treffen "swift heavy ions", also Hochenergie-Schwerionen, auf diese bereits amorphen Schichten, können sich poröse Strukturen bilden. Das wiederum sei interessant, weil poröse Halbleiter beispielsweise für die Photovoltaik von Bedeutung sind, so Wesch. Das internationale Wissenschaftlerteam will herausfinden, unter welchen Bedingungen diese strukturellen Veränderungen auftreten.
Dass Weschs Arbeitsgruppe dabei ausgerechnet mit australischen Kollegen zusammenarbeitet, hat sich eher zufällig ergeben. Während eines Forschungssemesters an der Universität Canberra wurde der Jenaer Physiker auf den Hochenergiebeschleuniger der Australier aufmerksam. Da er ahnte, dass durch die Schließung des Hochenergie-Teilchenbeschleunigers im Berliner Hahn-Meitner-Institut bald eine Forschungskapazität wegbrechen würde, schlug er den Kollegen in Canberra eine Kooperation vor. Seitdem nutzen die Jenaer Forscher die Anlage in Australien auch für eigene Untersuchungen.
Im aktuellen Projekt werden an beiden Instituten die Materialien mit unterschiedlichen Bedingungen modifiziert und mit verschiedenen Verfahren ihre mikroskopische Struktur und ihre Eigenschaften analysiert. "Neben der Grundlagenforschung", so Werner Wesch, "erhoffen wir uns neue Erkenntnisse darüber, wie Halbleitermaterialien für den praktischen Einsatz vor allem in Nanotechnologie und Photovoltaik optimiert werden können."
Friedrich-Schiller-Universität Jena
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AL