06.03.2013

Distanz zur Großen Magellanschen Wolke mit hoher Präzision bestimmt

Neue Methode liefert wichtiges Puzzlestück zur Kalibrierung größerer kosmischer Entfernungen.

Nach fast einem Jahrzehnt sorgfältiger Beobachtungen konnte ein internationales Astronomenteam unter Beteiligung von Jesper Storm vom Leibniz-Institut für Astrophysik in Potsdam die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke, der nächsten Nachbargalaxie unserer Milchstraße, so präzise wie nie zuvor bestimmen. Diese neue Messung verbessert auch unser Wissen über die derzeitige Expansionsrate des Universums – die Hubble-Konstante – und ist ein entscheidender Schritt auf dem weg zum Verständnis der Natur der mysteriösen Dunklen Energie, die die Ausdehnung noch weiter beschleunigt. Die Wissenschaftler nutzten neben weiteren Teleskopen überall auf der Welt auch die am La-Silla-Observatorium der ESO in Chile.

Abb.: Bedeckungsveränderliche sind Doppelsterne, die voreinander vorbeiziehen. Über den Lichtwechsel können Astronomen zusammen mit weiteren Eigenschaften des Systems die Entfernungen von Bedeckungsveränderlichen sehr präzise bestimmen. (Bild: ESO / L. Calçada)

Astronomen bestimmen die Größenskalen des Universums, indem sie zunächst die Entfernungen zu nahe gelegenen Objekten vermessen und sie im Anschluss als Standardkerzen verwenden, um die Abstände zu noch weiter entfernten Objekten im Kosmos zu ermitteln. Die gesamte Kette der kosmischen Entfernungsleiter ist allerdings nur so präzise wie ihr schwächstes Glied. Bis vor kurzem ist es nicht gelungen, die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke, eine der nächsten Nachbargalaxien unserer Milchstraße, exakt zu bestimmen. Da die Sterne in dieser Galaxie verwendet werden, um die Entfernungsskala zu den weiter entfernten Galaxien festzulegen, ist ihre eigene Entfernung von sehr großer Bedeutung.

Sorgfältige Analysen der Beobachtungen einer seltenen Klasse von Doppelsternen haben einem Astronomenteam nun erlaubt, einen präzisen Wert für die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke zu ermitteln: 163.000 Lichtjahre.

„Ich freue mich sehr, dass uns das gelungen ist“, sagt Wolfgang Gieren von der Universidad de Concepción in Chile, einer der Leiter des Teams. „Einhundert Jahre lang haben Astronomen versucht, die Entfernung zur großen Magellanschen Wolke exakt messen. Es hat sich als unglaublich schwer herausgestellt. Jetzt haben wir dieses Problem endlich lösen können, und das mit einem Ergebnis, das auf zwei Prozent genau ist.”

Abb.: Diese Aufnahme zeigt die Große Magellansche Wolke, eine Nachbargalaxie der Milchstraße. Die Positionen von acht seltenen kühlen Bedeckungsveränderlichen sind mit Kreuzen markiert. Die Sterne selbst sind zu schwach, um erkennbar zu sein. (Bild: ESO / R. Gendler)

Die Verbesserung der Messgenauigkeit für die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke führt auch zu genaueren Entfernungswerten für viele Cepheidensterne. Diese hellen, pulsierenden Sterne werden als Standardkerzen verwendet, um die Entfernungen weiter entfernter Galaxien zu bestimmen und die derzeitige Expansionsrate des Universums zu ermitteln. Die Hubble-Konstante wiederum ist die Grundlage der Durchmusterung des Universums bis hin zu den fernsten Galaxien, die man mit den heutigen Teleskopen beobachten kann. Die präzisere Entfernung der Großen Magellanschen Wolke reduziert damit auch die Ungenauigkeit derzeitiger Messungen kosmologischer Entfernungen.

Um die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke zu bestimmen, beobachteten die Astronomen seltene eng beieinander stehende Sternpaare, sogenannte Bedeckungsveränderliche. Während ihres gegenseitigen Umlaufs sieht man die Sterne jeweils vor ihrem Partner vorbeiziehen. Von der Erde aus gesehen sinkt dabei die Gesamthelligkeit des Systems ab, und zwar sowohl während der erste Stern vor dem zweiten vorbeizieht als auch andersherum, wenn auch um einen anderen Anteil.

Über sorgfältige Messungen dieser Helligkeitsänderungen bei gleichzeitiger Bestimmung ihrer Umlaufgeschwindigkeit konnten die Forscher die Größe der Sterne, ihre Masse und weitere Informationen über ihre Umlaufbahnen ermitteln. Kombiniert man dies mit der Gesamthelligkeit und den Farben der Sterne, lässt sich ihre Entfernung sehr genau berechnen.
Diese Methode hat man zwar zuvor bereits verwendet, allerdings nur mit heißen Sternen. In diesem Fall müssen dann bestimmte Annahmen gemacht werden, so dass die ermittelten Entfernungen nicht so präzise sind wie gewünscht. Jetzt hat man erstmals acht extrem seltene Bedeckungsveränderliche identifizieren können, bei denen beide Sterne kühle Rote Riesen sind. Diese Sterne wurden daraufhin besonders sorgfältig untersucht. Sie liefern besonders genaue Entfernungswerte mit einer Unsicherheit von nur noch zwei Prozent.

„Die ESO hat genau die Teleskope und Instrumente, die man für dieses Projekt benötigt: den HARPS-Spektrografen für hochpräzise Radialgeschwindigkeitsmessungen auch schwacher Sterne und SOFI für Helligkeitsmessungen im Infraroten”, erläutert Erstautor Grzegorz Pietrzyski von der Universidad de Concepción in Chile und dem polnischen Obserwatorium Astronomiczne Uniwersytetu Warszawskiego.

„Wir arbeiten daran, die Methode weiter zu verbessern und hoffen so innerhalb weniger Jahre auf eine Unsicherheit von nur noch ein Prozent für die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke zu kommen“, so Zweitautor Dariusz Graczyk. „Das hätte nicht nur weitreichende Auswirkungen für die Kosmologie, sondern für viele Bereiche der Astronomie.”

ESO / DE

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