Ein Bauplan für aktive Schäume
Theoretisches Modell basiert auf grundlegenden Prinzipien der Selbstorganisation.
Viele fundamentale Prozesse des Lebens und ihre synthetischen Entsprechungen in der Nanotechnologie basieren darauf, dass sich einzelne Teilchen autonom zu komplexen Mustern zusammenfinden. Der LMU-Physiker Erwin Frey untersucht die grundlegenden Prinzipien dieser Selbstorganisation. Mit seinem Team hat Frey nun ein theoretisches Modell entwickelt, das die Bildung von Mustern – beispielsweise aktiven Schäumen aus einem Gemisch von Proteinfilamenten und molekularen Motoren – erklärt.
Proteinfilamente wie Mikrotubuli und molekulare Motoren kommen in sehr unterschiedlichen Zellen vor. Ein wichtiges Beispiel für den Auf- und Umbau zellulärer Strukturen durch das Zusammenspiel von Filamenten und Motoren ist die mitotische Spindel, die für die korrekte Zellteilung verantwortlich ist. Experimente einer Arbeitsgruppe an der University of California at Santa Barbara in einem vereinfachten System haben gezeigt, dass durch das Zusammenspiel von Mikrotubuli und molekularen Motoren eine Vielzahl von Strukturen entstehen können. Dazu gehören asterähnliche Micellen und ein völlig neuartiger Zustand, der als aktiver Schaum bezeichnet wird. Grundbausteine dieses Schaums sind Mikrotubuli-Doppelschichten, bei denen die Filamente in entgegengesetzte Richtungen zeigen. Diese Doppelschichten verbinden sich dann zu einem Netzwerk, das immer wieder neu konfiguriert wird.
„Der aktive Schaum entsteht, wenn die Zahl der Mikrotubuli erhöht wird“, sagt Filippo De Luca. „Unsere Motivation war, den Mechanismus dahinter zu verstehen.“ Mit seinem Team entwickelte der Frey ein theoretisches Modell, das die Musterbildung erklären kann: „Durch numerische Simulationen ist es uns gelungen, die im Experiment beobachteten Muster sowie den durch die Mikrotubuli-Dichte gesteuerten Übergang von Mizellen zum aktiven Schaum zu reproduzieren“, erklärt Frey.
Entscheidend für die Musterbildung ist die Interaktion zwischen Motoren und Mikrotubuli: Ohne die Motoren könnte man die Mikrotubuli mit einem ungeordneten Haufen Mikadostäbchen vergleichen. Die Motoren aber koppeln jeweils zwei Mikrotubuli, bewegen sich entlang der Filamente und richten sie dadurch parallel aus. „Sie führen sie quasi wie in einem Reißverschluss zusammen und laufen dabei entlang der Filamente“, sagt Frey. Dabei können die beiden Filamente aneinander vorbei geschoben und immer wieder neu angeordnet werden – wichtig für die Bildung der Schäume.
Wann der Übergang von Micellen zu Schäumen erfolgt, hängt von der Zahl der Motoren und Mikrotubuli ab. Ist die Zahl der Komponenten gering, haben die Teilchen viel Bewegungsspielraum und es können sich einzelne Micellen bilden. „Steigt die Zahl der Komponenten, entstehen bänderartige Schichten und schließlich noch komplexere Ordnungsstruktur wie die Schäume“, erklärt Frey. „Diese Schäume haben eine geordnete Struktur mit einer Mischung aus Fünf-, Sechs- und Siebenecken und sehen ähnlich aus wie Bienenwaben.“ Im Gegensatz zu Bienenwaben ordnen sich aktive Schäume aber immer wieder neu.
Das theoretische Modell gilt allgemein für alle Arten von Filamenten und Motoren und ermöglicht eine neue Perspektive auf aktive Materien. Zukünftig könnte es nach Ansicht der Autoren auch dazu beitragen, Anwendungen in der Bio-Nanotechnologie voranzutreiben.
LMU / JOL