21.08.2024

Ein Bauplan für aktive Schäume

Theoretisches Modell basiert auf grundlegenden Prinzipien der Selbstorganisation.

Viele fundamentale Prozesse des Lebens und ihre synthetischen Ent­sprechungen in der Nano­technologie basieren darauf, dass sich einzelne Teilchen autonom zu komplexen Mustern zusammen­finden. Der LMU-Physiker Erwin Frey untersucht die grundlegenden Prinzipien dieser Selbst­organisation. Mit seinem Team hat Frey nun ein theo­retisches Modell entwickelt, das die Bildung von Mustern – beispielsweise aktiven Schäumen aus einem Gemisch von Protein­filamenten und molekularen Motoren – erklärt.

Abb.: Das Team um Erwin Frey hat ein neues Modell entwickelt, das beschreibt,...
Abb.: Das Team um Erwin Frey hat ein neues Modell entwickelt, das beschreibt, wie Filamente sich zu aktiven Schäumen zusammenfinden.
Quelle: B. Asher, LMU

Proteinfilamente wie Mikrotubuli und molekulare Motoren kommen in sehr unter­schiedlichen Zellen vor. Ein wichtiges Beispiel für den Auf- und Umbau zellulärer Strukturen durch das Zusammenspiel von Filamenten und Motoren ist die mitotische Spindel, die für die korrekte Zellteilung verantwortlich ist. Experimente einer Arbeits­gruppe an der University of California at Santa Barbara in einem vereinfachten System haben gezeigt, dass durch das Zusammenspiel von Mikrotubuli und mole­kularen Motoren eine Vielzahl von Strukturen entstehen können. Dazu gehören asterähnliche Micellen und ein völlig neuartiger Zustand, der als aktiver Schaum bezeichnet wird. Grund­bausteine dieses Schaums sind Mikrotubuli-Doppel­schichten, bei denen die Filamente in entgegen­gesetzte Richtungen zeigen. Diese Doppel­schichten verbinden sich dann zu einem Netzwerk, das immer wieder neu konfiguriert wird.

„Der aktive Schaum entsteht, wenn die Zahl der Mikro­tubuli erhöht wird“, sagt Filippo De Luca. „Unsere Motivation war, den Mechanismus dahinter zu verstehen.“ Mit seinem Team entwickelte der Frey ein theo­retisches Modell, das die Muster­bildung erklären kann: „Durch numerische Simulationen ist es uns gelungen, die im Experiment beobachteten Muster sowie den durch die Mikro­tubuli-Dichte gesteuerten Übergang von Mizellen zum aktiven Schaum zu repro­duzieren“, erklärt Frey. 

Entscheidend für die Muster­bildung ist die Interaktion zwischen Motoren und Mikrotubuli: Ohne die Motoren könnte man die Mikro­tubuli mit einem ungeordneten Haufen Mikado­stäbchen vergleichen. Die Motoren aber koppeln jeweils zwei Mikro­tubuli, bewegen sich entlang der Filamente und richten sie dadurch parallel aus. „Sie führen sie quasi wie in einem Reiß­verschluss zusammen und laufen dabei entlang der Fila­mente“, sagt Frey. Dabei können die beiden Filamente aneinander vorbei geschoben und immer wieder neu angeordnet werden – wichtig für die Bildung der Schäume.

Wann der Übergang von Micellen zu Schäumen erfolgt, hängt von der Zahl der Motoren und Mikrotubuli ab. Ist die Zahl der Komponenten gering, haben die Teilchen viel Bewegungs­spielraum und es können sich einzelne Micellen bilden. „Steigt die Zahl der Komponenten, entstehen bänderartige Schichten und schließlich noch komplexere Ordnungs­struktur wie die Schäume“, erklärt Frey. „Diese Schäume haben eine geordnete Struktur mit einer Mischung aus Fünf-, Sechs- und Siebenecken und sehen ähnlich aus wie Bienenwaben.“ Im Gegensatz zu Bienenwaben ordnen sich aktive Schäume aber immer wieder neu.

Das theo­retische Modell gilt allgemein für alle Arten von Filamenten und Motoren und ermöglicht eine neue Perspektive auf aktive Materien. Zukünftig könnte es nach Ansicht der Autoren auch dazu beitragen, Anwen­dungen in der Bio-Nano­technologie voranzutreiben.

LMU / JOL

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