12.01.2015

Ein Halbleiter von der Heizplatte

Naphthalindiimid lässt sich unter Umweltbedingungen herstellen und verarbeiten.

Ein am Zentrum für Nanosystemchemie der Universität Würzburg entwickelter organischer Halbleiter stellt einen neuen Weltrekord auf: Er leitet Strom besser als alle vergleichbaren Materialien. Zudem ermöglicht er eine neue Herstellungstechnik und eröffnet damit ein neues Arbeitsfeld. Und er verfügt über bessere Eigenschaften unter Prozessbedingungen. Es handelt sich um ein Naphthalindiimid, doppelt chloriert und mit Fluoralkylketten substituiert. Der organische Halbleiter lässt sich – anders als vergleichbare Substanzen – gut unter normalen Bedingungen verarbeiten und ist gegen Umwelteinflüsse äußerst stabil. Fünf Jahre lang haben die Würzburger Wissenschaftler zusammen mit ihrem Industriepartner BASF die Substanz erforscht und modifiziert, bis sie die gewünschten Eigenschaften zeigte.

Abb.: Der neue organische n-Halbleiter, ein dichloriertes Naphthalindiimid lässt sich unter ambienten Bedingungen – also an der Luft – sublimieren und bildet hierbei Einkristalle, die eine neue Anordnung der Moleküle aufweisen. (Bild: M. Stolte, JMU)

Organische Elektronik ist längst im Alltag vieler Menschen angekommen, auch wenn die wenigsten, die damit in Kontakt kommen, überhaupt etwas davon merken. Zahlreiche Produkte, die heute im Handel erhältlich sind, arbeiten bereits mit elektronischen Schaltungen aus leitfähigen Polymeren oder kleineren organischen Verbindungen. So bringen sie beispielsweise Displays farbenreich zum Leuchten, arbeiten in Autos in den Sensoren der Airbags oder produzieren in Form von biegsamen Solarzellfolien auf Rucksackdeckeln Strom. Und schon in naher Zukunft soll die Produktpalette deutlich ausgeweitet werden: Leuchtende Tapeten, die 50 Prozent weniger Strom verbrauchen als Energiesparlampen, transparente Solarzellfolien, die sich aufkleben lassen, Sensoretiketten auf Fleischverpackungen, die den Frischegrad messen, RFID-Chips, die detaillierte Informationen über den Standort einzelner Produkte entlang der gesamten Lieferkette versenden: Das alles sind nur ein paar Beispiele für potenzielle Einsatzorte der „Plastikelektronik“.

Damit die Träume der Industrie wahr werden können, sind Wissenschaftler weltweit auf der Suche nach neuen Bausteinen für organische Halbleiter. Zwei Eigenschaften stehen dabei im Mittelpunkt ihres Interesses: Zum einen müssen die Materialien möglichst gut Strom leiten, damit sie effizient arbeiten. Zum anderen müssen sie möglichst lange stabil bleiben und funktionieren. Verglichen mit klassischen Halbleitern, die auf Silizium basieren, tun sich die organischen Verwandten in diesen Punkten noch schwer. Das Naphthalindiimid-Molekül verschiebt nun die Gewichte.

„Dieser Halbleiter lässt sich unter Umweltbedingungen herstellen und verarbeiten. Außerdem ist er stabil unter Lufteinfluss“, erklärt Gruppenleiter Matthias Stolte. Normalerweise werden organische Halbleiter entweder im Hochvakuum oder aus einer flüssigen Lösung heraus in einem Druckverfahren verarbeitet, vergleichbar mit einem Tintenstrahldrucker. Die Nachteile dabei: Die Hochvakuummethode ist sehr teuer, die lösungsbasierte Methode dagegen qualitätsmindernd, weil das Lösungsmittel einen störenden Einfluss auf die Qualität der Halbleiterschicht ausübt. Die Forscher aus BASF und der Universität Würzburg sind einen anderen Weg gegangen: „Wir legen das Material auf einem Substrat auf eine Heizplatte, die auf 180 Grad Celsius erhitzt wird. Bringt man dann ein zweites Substrat in die Nähe, lagert sich dort in einer ein-kristallinen Schicht der Halbleiter ab“, erklärt Stolte. Damit sei die Produktion „extrem simpel“. Den Grund, warum sich das Naphthalindiimid so einfach bei normalen Raumbedingungen verarbeiten lässt, sehen die Forscher in seiner hohen Luftstabilität sowie der leichten Sublimierbarkeit aufgrund seines niedrigen Molekulargewichts.

Wie die Chemiker zeigen konnten, sorgt der Weg über die Heizplatte dafür, dass sich die Moleküle in dem Halbleiter anders anordnen – verglichen mit dem Weg über die Lösung. In der bisher üblichen Variante zeigen die Moleküle ein „Fischgrätmuster“, nach der Abscheidung über die Heizplatte entsteht ein „Backsteinmuster“. Die Folge: Der Ladungstransport wird weniger von der Betriebstemperatur das Bauteils beeinflusst – verglichen mit ähnlichen Molekülen. Das verbessert die Haltbarkeit deutlich. Dabei liegt der Wert immer noch beim Siebenfachen dessen, was heute bei klassischen Solarzellen üblich ist, die aus amorphem Silizium hergestellt werden. Und die Fluorketten sorgen dafür, dass das Naphthalindiimid-Molekül unter Luft- und Wassereinfluss stabil bleibt.

JMU / RK

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