10.01.2025

Ein neuromorpher Chip für die Industrie

Physikerin entwickelt Technologie, mit der sich Informationen direkt am Entstehungsort verarbeiteten und speichern lassen.

Neuromorphe Chips, die Informationen verarbeiten wie das menschliche Gehirn: Dieses Ziel verfolgt die Physikerin Heidemarie Krüger mit ihrem Startup „Techifab“. Die Forscherin vom Leibniz-Institut für photonische Technologien und der Uni Jena entwickelt eine Technologie, die Informationen direkt am Entstehungsort verarbeitet und speichert – ohne energieintensive Datenübertragung zwischen Prozessor und Speicher.

Abb.: Heidemarie Krüger, Leiterin der Forschungsabteilung Quantendetektion am...
Abb.: Heidemarie Krüger, Leiterin der Forschungsabteilung Quantendetektion am Leibniz-Institut für photonische Technologien und Professin für Festkörperphysik mit Schwerpunkt Quantendetektion an der Uni Jena.
Quelle: S. Döring / L.-IPHT

Gemeinsam mit ihrem Team entwickelt Krüger memristorbasierte Bauteile, die neue Maßstäbe in Sachen Energieeffizienz und Rechenleistung setzen sollen. Diese echtzeittaugliche und ressourceneffiziente Technologie könnte etwa selbstfahrende Autos und Industrieanlagen unterstützen. „Unser Ziel ist es, das Gehirn als Vorbild zu nutzen, um eine Technologie zu schaffen, die mit minimalem Energieverbrauch komplexe Entscheidungen logisch nachvollziehbar trifft“, sagt Krüger.

Der neuromorphe Chip basiert auf Memristoren – Bauelementen, die ähnlich wie Synapsen im Gehirn arbeiten. Sie speichern nicht nur Informationen, sondern können diese gleichzeitig verarbeiten. Während konventionelle Computer die Daten permanent zwischen Speicher und Prozessor austauschen, arbeitet diese Technologie lokal. Dies reduziert Energieverluste erheblich und ermöglicht eine schnelle, dezentrale Datenanalyse.

Ein wesentlicher Unterschied ist die Fähigkeit der Memristoren, kontinuierliche Zwischenzustände zu verarbeiten – also nicht nur 0 und 1, sondern auch Werte dazwischen. Diese flexible Datenverarbeitung eröffnet neue Möglichkeiten für Algorithmen, die neuronale Netzwerke nachbilden. Anwendungen reichen von der vorausschauenden Maschinenwartung bis hin zu Echtzeitanalysen in sicherheitskritischen Bereichen wie dem autonomen Fahren.

Der Weg zu dieser Entwicklung begann mit einer zufälligen Entdeckung im Labor im Jahr 2011: Während einer Materialanalyse beobachtete Krügers Team eine charakteristische Schleifenkurve – ein Hinweis auf das Verhalten eines Memristors mit hysteretischer Memristanz. Diese Eigenschaft ermöglicht es dem Bauteil, sich an frühere Rechenoperationen zu erinnern und so komplexe Berechnungen direkt auszuführen.

Das führte zur Idee, künstliche Synapsen aus einer Materialkombination aus Bismut und Eisenoxid zu entwickeln. Um aus den künstlichen Synapsen einen funktionsfähigen Chip zu entwickeln, wurde das Startup von der Bundesagentur für Sprunginnovationen mit einem zweistelligen Millionenbetrag gefördert. „Wir konnten zeigen, dass diese künstlichen Synapsen selbst komplexe Rechenaufgaben wie Matrixmultiplikationen effizient bewältigen können“, berichtet Krüger. Diese Rechenoperationen bilden beispielsweise die Grundlage beim Training vieler KI-Anwendungen und Bildverarbeitungsalgorithmen.

Die Architektur der Memristoren erlaubt es, Daten direkt an der Quelle zu verarbeiten – eine Schlüsselkomponente für das Edge-Computing, bei dem Daten nicht an zentrale Cloud-Systeme übertragen werden müssen. „Das bedeutet mehr Sicherheit und Unabhängigkeit, da sensible Daten lokal bleiben“, betont Krüger. Gerade in der industriellen Sensorik könnte dies ein großer Vorteil sein, um beispielsweise erste Anzeichen von Verschleiß zu erfassen und Ausfälle zu vermeiden.

In ersten Pilotprojekten testet Krügers Team die Technologie gemeinsam mit der TU Bergakademie Freiberg bereits unter realen Bedingungen. Dabei hat sich gezeigt, dass der neuromorphe Chip sogar kleinste Veränderungen zuverlässig erkennen und Verschleißmuster präzise prognostizieren kann.

Während klassische Prozessoren immer mehr Transistoren benötigen, um die wachsende Datenflut zu bewältigen, stößt das traditionelle Chipdesign an physikalische und energetische Grenzen. Neuromorphe Ansätze kombinieren Speicher- und Recheneinheit, was den Energiebedarf senkt und das Potenzial für KI-Systeme erheblich erweitert.

„Unser Ziel ist es, nicht nur Datensätze zu analysieren, sondern auch zu lernen, Muster zu erkennen und flexibel auf neue Situationen zu reagieren – ohne eine ständige Verbindung zu externen Rechenzentren“, erklärt Krüger. Damit könnte die Technologie in Zukunft dazu beitragen, Rechenzentren energieeffizienter zu gestalten und KI-Anwendungen mit deutlich weniger Ressourcenbedarf zu entwickeln.

Krügers aktueller Prototyp verfügt über 32 Memristoren. In der nächsten Entwicklungsstufe sollen es über 200 werden, um komplexe neuronale Netze abzubilden und neue Anwendungen in autonomen Systemen zu ermöglichen.

L.-IPHT / RK

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