09.12.2016

Eine Bremse für Gravitationswellen?

Bose-Einstein-Kondensat aus dunkler Materie könnte Gravitationswellen abbremsen.

Die mit der Entdeckung von Gravitationswellen entstandene neue Disziplin der Gravitations­wellen-Astronomie bekommt eine weitere Aufgabe: die Suche nach dunkler Materie. Diese könnte aus einem Bose-Einstein-Kondensat sehr leichter Teilchen bestehen. Wie Rechnungen zeigen, würden Gravitations­wellen gebremst, wenn sie durch derartige dunkle Materie laufen. Dies führt zu einer Verspätung von Gravitations­wellen relativ zu Licht, die bereits mit den heutigen Detektoren messbar sein sollte.

Abb.: Falls der Dunkle-Materie-Halo einer Galaxie aus einem Bose-Einstein-Kondensat (BEK) sehr leichter Teilchen besteht, werden durchgehende Gravitationswellen (GW), nicht aber Lichtwellen (γ) gebremst. (Bild: MPIK)

Im Universum muss es gut fünfmal mehr unsichtbare als sichtbare Materie geben. Woraus diese dunkle Materie besteht, ist immer noch unbekannt. Die experimentelle Suche konnte bisher nur Teilchen­arten bzw. Energie­bereiche ausschließen; gelegentliche Erfolgs­meldungen und Vermutungen ließen sich nicht verifizieren. Es sind aber noch längst nicht alle theoretischen Vorschläge überprüft.

Einer der Vorschläge ist, dass dunkle Materie aus sehr leichten Teilchen besteht, die im frühen Universum ein Bose-Einstein-Kondensat gebildet haben. Damit ließe sich – im Gegensatz zu anderen Vorschlägen – die Struktur des Universums auf allen Größen­skalen erklären. Ein Bose-Einstein-Kondensat ist ein Materie­zustand, in dem sich alle Teilchen in demselben quanten­mechanischen Zustand befinden, somit vollständig delokalisiert sind und ein einziges makroskopisches Quanten­objekt bilden. Möglich ist das nur, wenn die Teilchen Bosonen sind. Im Labor lassen sich Bose-Einstein-Kondensate mit bestimmten Atomen bei ultratiefen Temperaturen erzeugen.

Und wie kann man den genannten Vorschlag überprüfen? Mit Gravitations­wellen! Das klingt überraschend, aber Rechnungen zeigen, dass ein solches Bose-Einstein-Kondensat die Geschwindigkeit von durchgehenden Gravitations­wellen, die sich eigentlich mit Licht­geschwindigkeit ausbreiten, verlangsamt. Ursache dafür sind die von den Gravitations­wellen hervorgerufenen Verzerrungen der Raumzeit, welche das Bose-Einstein-Kondensat anregen. Das ist ähnlich wie bei Licht, das beim Durchgang durch ein dichtes Medium wie Wasser gebremst und damit gebrochen wird.

Wie stark eine Gravitationswelle gebremst wird, wenn sie durch den Dunkle-Materie-Halo einer Galaxie läuft, hängt nur von der Masse und der Wechselwirkung der Teilchen im Bose-Einstein-Kondensat sowie der Frequenz der Gravitations­welle ab: je niedriger die Frequenz, desto stärker der Effekt – auch die Licht­brechung hängt von der Lichtfarbe ab. Nach den Berechnungen ist die Brems­wirkung bereits bei den Frequenzen stark genug für eine Messung, welche die LIGO-Detektoren detektieren können. Laufende Messungen mit den Radio­teleskopen des IPTA und zukünftige Satelliten-Instrumente wie eLISA können auch Gravitations­wellen mit niedrigeren Frequenzen beobachten und somit den Vorschlag für dunkle Materie umfassend überprüfen.

Intensive Gravitationswellen entstehen beim engen Umkreisen und Verschmelzen ultra­dichter Objekte wie Schwarze Löcher oder Neutronensterne, aber auch bei Supernova-Explosionen. Gelingt es, solche Ereignisse, die von der Erde aus gesehen hinter einer Galaxie stattfinden, auch mit Neutrinos oder im Gammalicht zu beobachten, lässt sich anhand möglicher Zeit­unterschiede, wann die Signale eintreffen, entscheiden, ob die dunkle Materie aus einem Bose-Einstein-Kondensat sehr leichter Teilchen besteht oder nicht.

MPIK / DE

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