30.07.2024

Eine Lücke in der UV-Astronomie schließen

Das Weltraumteleskop UVEX soll 2030 starten.

Das nächste Weltraumteleskop für Ultraviolett-Astronomie der NASA trägt die Handschrift einer Astrophysikerin des Institute of Science and Technology Austria (ISTA). Assistenzprofessorin Ylva Götberg wird als Teil einer großen internationalen Arbeitsgruppe untersuchen, wie sich Galaxien und Sterne entwickeln, und einen gemeinschaftlichen Datensatz für den gesamten Himmel erstellen. 


Abb.: Die Astrophysikerin Ylva Götberg ist Assistenzprofessorin am ISTA. Sie...
Abb.: Die Astrophysikerin Ylva Götberg ist Assistenzprofessorin am ISTA. Sie war von Anfang an beteiligt an der Entwicklung des wissenschaftlichen Konzepts für das neue UVEX-Teleskop.

Quelle: ISTA

Wie jeden Tag herrscht am Campus des Institute of Science and Technology Austria (ISTA) rege Betriebsamkeit. Zwischen Experimenten und Simulationen treffen sich die Forscher und diskutieren. Die tickende Uhr erinnert stets daran, dass die nächste Entdeckung vielleicht schon um die Ecke lauert. Doch dies ist kein gewöhnlicher Tag. Kurz zuvor hatte die NASA bekannt gegeben, dass ein neues Weltraumteleskop namens UVEX (UltraViolet EXplorer) für den Start im Jahr 2030 ausgewählt wurde. UVEX, eine große internationale Zusammenarbeit unter der Leitung von Caltech-Forschern, wird das ultraviolette Licht im gesamten Himmel vermessen. 

Assistenzprofessorin Ylva Götberg, eine der ersten Astrophysikerinnen am ISTA, war von Anfang an beteiligt an der Entwicklung des wissenschaftlichen Konzepts für das neue Teleskop. Sie kann ihre Begeisterung kaum verbergen: „Unser Projekt stand ein Jahr lang mit einem anderen Weltraumteleskop-Projekt im Wettbewerb, während die NASA beide Projekte evaluierte. Wir freuen uns sehr, dass UVEX ausgewählt wurde.“ UVEX wird eine seit langem bestehende wissenschaftliche Lücke in der Ultraviolett-Astronomie schließen.

Der ultraviolette Wellenlängenbereich ist der Spektralbereich für die Stellarastronomie“, sagt Götberg, eine Spezialistin für Doppelsterne. Kurz vor ihrer Geburt oder ihrem Tod erreichen Sterne extreme Temperaturen – etwa das zwanzigfache der Sonne – und erlangen mit ihren energiereichen UV-Strahlungsemissionen neue Spitzenwerte. Daher sind UV-Messungen von entscheidender Bedeutung für die Untersuchung der Temperatur, der Zusammensetzung und der Entwicklung der heißen Sterne. „Seit etwa zwanzig Jahren fehlen uns jedoch umfangreiche UV-Daten“, so Götberg. „Es ist, als ob wir auf einem Auge blind sind, wenn wir durch das Weltall blicken.“ Die Gründe für diese wissenschaftliche Einäugigkeit sind komplex.

Zum Glück für das Leben auf der Erde filtert unsere Atmosphäre das meiste UV-Licht aus dem All heraus. Dies bedeutet aber auch, dass UV-Messungen in der Astronomie vom Weltraum aus durchgeführt werden müssen. Zu den jüngsten bedeutenden Weltraumteleskopen, die UV-Wellenlängen gemessen haben, gehören das Hubble-Weltraumteleskop, eines der Flaggschiff-Teleskope der NASA und der ESA, das seit 1990 in Betrieb ist, und der Far Ultraviolet Spectroscopic Explorer (FUSE). FUSE war zwischen 1999 und 2007 in Betrieb und ergänzte die Messungen von Hubble im Bereich des nahen UV durch seine eigenen Daten im fernen UV. 

Ein weiteres wichtiges UV-Teleskop war der International Ultraviolet Explorer (IUE), der zwischen 1978 und 1996 in Betrieb war. Das inzwischen 34 Jahre alte Hubble hatte jedoch zunehmend technische Schwierigkeiten, seine Ziele anzuvisieren. Daher kündigte die NASA im Juni dieses Jahres an, den Betriebsmodus von Hubble zu ändern, um sicherzustellen, dass es bis in die 2030er Jahre hinein den Himmel untersuchen kann. Andererseits wurden die neuen Großteleskope – wie das James-Webb-Weltraumteleskop, das Euclid der ESA und das Nancy-Grace-Roman-Weltraumteleskop der NASA, dessen Start für 2027 geplant ist – dem Infrarotbereich statt der Ultraviolett-Astronomie gewidmet. Daher erkannte die NASA, dass die Zeit reif ist für eine neue, umfassende UV-Mission wie UVEX, und beschloss, diese wissenschaftliche Einäugigkeit zu beheben.

Seit dem Start von Hubble vor mehr als dreißig Jahren hat es im Bereich der Optik große technologische Fortschritte gegeben. Außerdem kann Hubble aufgrund seiner begrenzten Fähigkeiten im fernen UV-Bereich und seiner langen Belichtungszeiten schwache UV-Quellen nicht erkennen. „UVEX wird sowohl im nahen als auch im fernen UV-Bereich messen und viel mehr Licht durchlassen als Hubble. So können wir mit UVEX, in der gleichen Belichtungszeit, Objekte, die viel schwächere UV-Signale ausgeben, beobachten“, sagt Götberg. 

In der Astrophysik gilt: Je schwächer die von einem Teleskop erfassten Objekte sind, desto umfassender ist der Datensatz. Zu Beginn seiner Mission wird UVEX den gesamten Nachthimmel anhand der schwächsten UV-emittierenden Objekte kartieren. Auf diese Weise wird ein umfassender, homogener, Datensatz (deep dataset) im UV-Bereich erstellt. Nach seiner Fertigstellung wird dieser Datensatz als Gemeinschaftsressource dienen, die den Astronomen für künftige Forschung zur Verfügung steht. „Das ‚deep mapping‘ (Tiefenkartierung) im UV-Bereich ist besonders für heiße Sterne wichtig, da sie nicht immer die hellsten sind“, fügt Götberg hinzu. Am wichtigsten für die Arbeit ihrer Gruppe am ISTA ist, dass UVEX in der Lage sein wird, den gesamten Massenbereich von Heliumsternen zu kartieren. Heliumsterne sind heiße und kompakte Sterne, die von einem Begleitstern ihrer Wasserstoffhülle beraubt wurden.

UVEX kann nicht nur die schwächsten heißen Sterne kartieren, sondern auch Sternwinde näher beobachten, und die Entwicklung massereicher Sterne und Sternexplosionen untersuchen. Dies ist besonders interessant, da Sterne in ihren Kernen Fabriken von chemischen Elementen sind. Während die Sternwinde zu einem Massenverlust führen und die Entwicklung des Sterns beeinflussen, wird das endgültige Schicksal des Sterns durch seinen Tod in einer großen Explosion besiegelt. Wenn ein Stern explodiert, verliert er viel Masse, während er die Umgebung mit neuen Elementen anreichert. Diese Elemente sind letztlich für das Leben, wie wir es kennen, unerlässlich. 

Unsere Sonne ist etwa ein Stern der dritten Generation, der Material enthält, das aus früheren Sternexplosionen stammt. Mit UVEX lassen sich neue Erkenntnisse über den Massenverlust in großem Maßstab gewinnen, indem man die Eigenschaften von Sternexplosionen im gesamten Universum untersucht. „Ich freue mich besonders auf dieses Teleskop, weil es uns ermöglichen wird, neue Beobachtungstechniken zu entwickeln und neue Strategien zu entwerfen, um theoretische Vorhersagen zu überprüfen“, sagt Götberg.

Götberg untersucht die Entwicklung von Doppelsternen in zwei gut untersuchten Galaxien in der Nachbarschaft der Milchstraße. Generell betrachten Astrophysiker Doppelsterne in zwei Phasen ihrer Entwicklung: vor und nach dem Massentransfer. Während die Eigenschaften der Sterne vor der Wechselwirkung mit den derzeit verfügbaren Technologien leicht vorhersagbar sind, wird UVEX es Götberg ermöglichen, präzise Beobachtungen vor und nach dem Massentransfer zu vergleichen. „UVEX öffnet ein Fenster für den Blick auf die Entwicklung massereicher Sterne, das rund zwanzig Jahre lang verschlossen war“, sagt sie. Der würdige Nachfolger von IUE und FUSE wird im Jahr 2030 den Weltraum erobern. „Es sind aufregende Zeiten für das junge Feld der Astronomie am ISTA“, schließt Götberg.

ISTA / DE


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