Eine neue Klasse von Gammaquellen
Fermi-Beobachtungen zufolge emittieren Novae wohl immer auch energiereiche Gammastrahlung.
Der Begriff Nova bezieht sich auf das lateinische stella nova („neuer Stern“) und stellen eigentlich keine außergewöhnlichen astronomischen Phänomene dar. Schließlich kommen derartige Ereignisse etwa dreißig bis fünfzig Mal pro Jahr in unserer Milchstraße vor. Klassische Novae sind auch keine wirklich neuen Sterne, sondern bezeichnen charakteristische Helligkeitsänderungen im sichtbaren Licht von Doppelsternsystemen, deren eine Komponente ein Weißer Zwergstern ist, der eine spektakuläre thermonukleare Explosion seiner Sternoberfläche erleidet. Grund dafür ist der begleitende heiße Stern, der Materie abgibt und damit dem eigentlich „ausgebrannten“ kompakten Zwergstern wieder Brennstoff zuführt, Energie aus der Fusionsreaktion und Materie vom Zwergstern wird freigesetzt und in den Weltraum geschleudert. Das Sternensystem selbst bleibt dabei erhalten und kann eine derartige Episode nach Hunderttausenden von Jahren erneut durchleben.
Abb.: Eine klassische Nova – in einem Doppelsternsystem – produziert Gammastrahlen (violett) durch Wechselwirkungen zwischen den sich ausbreitenden Schockwellen und der ins All geschleuderten Materie. (Bild: NASA-GSFC, S. Wiessinger)
Das Fermi-Weltraumteleskop detektierte jedoch überraschender Weise vor vier Jahren von einem solchen System auch hochenergetische Gammastrahlung. „Bis dahin hatte niemand die Möglichkeit in Erwägung gezogen, dass auch Novae Teilchen in den Gigaelektronvolt-Bereich beschleunigen könnten und damit im Licht der Gammastrahlung sichtbar sein würden“, sagt Olaf Reimer, Professor am Institut für Astro- und Teilchenphysik der Universität Innsbruck und Mitglied im Fermi Large Area Telescope Team. Dies bewies die gründliche Analyse des Nova-Ausbruchs von V407 Cyg in Verbindung mit der optischen Helligkeitsveränderung und beobachteter Gammastrahlung zweifelsfrei. Allerdings handelte es sich bei V407 Cygnus vermutlich um den eher seltenen Fall einer regelmäßig wiederkehrenden Nova mit einem Roten Riesen als Materiespender. Die Partnersterne umkreisen sich hier viel enger als bei klassischen Novae, und der Materiefluss zum Zwergstern ist entsprechend höher. Damit können sich Explosionen auf der Sternoberfläche bereits auf Zeitskalen von Jahrzehnten wiederholen.
Nun haben Beobachtungen mit dem Fermi Gammastrahlen-Teleskop in den Jahren 2012 und 2013 noch drei weitere Novae aufgezeigt, die unter den Namen V1324 Scorpii, V959 Monocerotis und V339 Delphini verzeichnet sind. Hier handelt es sich aber um die häufigen und vergleichsweise unspektakulären klassischen Novae. Für alle drei dieser Beobachtungen sind große Gemeinsamkeiten in den Parametern zu verzeichnen: Die beobachteten Gammastrahlenspektren sind sehr ähnlich, schneiden bei vergleichbaren Energien – wenige GeV – steil ab, die Gammastrahlenemission wird typischerweise über zwei bis drei Wochen in täglichen Beobachtungen detektiert und Helligkeit im Gammastrahlenbereich vergrößert sich dabei typischerweise wenige Tage nach der Erstdetektion, d.h. erfolgt später als in den Wellenlängen des sichtbaren Lichts.
„Wir können nun die Hypothese wagen,“ sagt Reimer „dass alle klassischen Novae mit hochenergetischer Gammastrahlenemission einhergehen“. Der große Unterschied zwischen den zahlreichen Beobachtungen im sichtbaren Licht und den vier Novae im Gammastrahlenbereich über einen Zeitraum von etwa fünf Jahren Beobachtungszeit mit dem Fermi-Weltraumteleskop erklärt sich aus der Empfindlichkeit der Teleskope bei verschiedenen Wellenlängen. So werden die Novae im Gammastrahlenbereich nur aus dem vergleichsweise geringen Abstand (Lichtlaufzeiten zwischen neun- und fünfzehntausend Jahren) zu unserer Erde beobachtet, während die typischen Raten von mehreren Dutzend Novae pro Jahr über die gesamte Milchstraße hinweg zu verzeichnen sind.
Abb.: Die vier bisher beobachteten Gammastrahlen Novae, die Farben zeigen die Stärke der Gammastrahlung (blau niedrig, gelb hoch; Bild: NASA / DOE / Fermi LAT Coll.)
Welche physikalischen Prozesse die Gigaelektronenvolt-Gammastrahlung in Novae produzieren, lässt sich jedoch noch nicht eindeutig identifizieren. „Wie in einigen anderen astronomischen Objekten am höchsten Ende des elektromagnetischen Spektrums ist die Emission sowohl über hadronische als auch leptonische Prozesse erklärbar“, sagt Reimer. „In beiden Varianten kann genügend Energie in die Teilchenbeschleunigung gehen, die dann entsprechende Gammastrahlenproduktion nach sich zieht.“ Lediglich die speziellen Bedingungen im Doppelsternsystem wie beispielsweise die Magnetfeldstärke oder Intensität der Strahlungsfelder setzen die Präferenz für die Dominanz oder gar Exklusivität eines physikalischen Prozesses. „Leider kennen wir diese Bedingungen aber nicht gut genug oder beobachten noch nicht präzise genug, um dies bereits entscheiden zu können“, sagt Olaf Reimer. Mit den jüngsten Beobachtungen des Fermi Gammastrahlen-Teleskops hat allerdings der exklusive Klub der extremen Hochenergiequellen im All recht unkapriziöse neue Mitglieder erhalten.
LFU / OD