Elektronen in Theorie und Empirie sichtbar
Physikern gelingt mittels Dichtefunktionaltheorie und Photoelektronenspektroskopie Einblick in molekulare Halbleiter.
Einem Team von Physikern ist der Nachweis gelungen, dass auch die Elektronen in großen Molekülen – beispielsweise in organischen Halbleitern – mit hoher Präzision durch einzelne Orbitale beschrieben werden können. Die Arbeitsgruppe um Stephan Kümmel an der Universität Bayreuth konnte zeigen, dass es dabei darauf ankommt, wie die Orbitale berechnet werden. Ihre theoretischen Vorhersagen wurden durch spektroskopische Messungen unter der Leitung von Achim Schöll und Friedrich Reinert an der Universität Würzburg und der Universität Hiroshima bestätigt.
Abb.: NTCDA ist ein organischer Halbleiter. Links die Darstellung eines Orbitals, die auf theoretischen Berechnungen beruht. Rot gekennzeichnet sind dabei die Bereiche, in den sich Elektronen mit besonders hoher Wahrscheinlichkeit aufhalten. Rechts das gleiche Orbital auf der Basis empirischer Daten durch spektroskopische Untersuchungen. (Bild: S. Kümmel)
Molekulare Halbleiter sind das Herzstück zahlreicher neuer Technologien, beispielsweise von organischen Solarzellen, die Lichtenergie in elektrischen Strom umwandeln. Die Weiterentwicklung dieser Technologien ist umso effektiver, je genauer die Strukturen organischer Halbleitermaterialien aufgeklärt werden. Ein Schlüssel für ein vertieftes Verständnis sind dabei die Eigenschaften der Elektronen.
In jedem Molekül bilden die Elektronen eine Hülle, die die Kerne der chemisch verbundenen Atome umschließt. Je geringer die Energiezustände der Elektronen sind, desto tiefer sind sie im Zentrum eines Moleküls angesiedelt; die Elektronen in höheren Energiezuständen befinden sich hingegen weiter außen im Randbereich eines Moleküls. Da besonders diese äußeren Elektronen die Eigenschaften der Moleküle bestimmen, ist es wichtig, dass gerade sie korrekt von einer Theorie beschrieben werden.
Die Bereiche, in denen die Aufenthaltswahrscheinlichkeit der Elektronen hoch ist, werden als Orbitale bezeichnet. Sie lassen sich einerseits theoretisch berechnen, andererseits liefert die Photoelektronenspektroskopie (PES) empirische Daten, die es erlauben, die räumliche Gestalt solcher Bereiche zu rekonstruieren. Dadurch wird eine graphische Darstellung der Orbitale möglich.
Für kleine Moleküle stimmen die theoretisch berechneten und die experimentell bestimmten Orbitale häufig überein. Wenn es hingegen um technologisch interessante große Moleküle wie organische Halbleiter geht, gibt es eine solche Übereinstimmung in der Regel nicht. Die Bayreuther Arbeitsgruppe um Stephan Kümmel konnte jedoch – im Rahmen der Dichtefunktionaltheorie – ein Konzept entwickeln, das es erlaubt, die Orbitale von Elektronen mit hoher Genauigkeit zu berechnen.
Die Forscher haben dieses Verfahren auf Moleküle organischer Halbleiter angewendet. Anschließend verglichen sie die Ergebnisse mit Berechnungen, zu denen die physikalische Forschung von anderen theoretischen Ansätzen aus gelangt. „Die Unterschiede waren signifikant“, so die Forscher. Um nachzuweisen, dass das in Bayreuth entwickelte Berechnungsverfahren die präziseren Vorhersagen erlaubt, war daher der Vergleich mit experimentellen Ergebnissen, also möglichst leistungsstarken spektroskopischen Untersuchungen, nötig.
Deshalb haben die Bayreuther Physiker die Zusammenarbeit mit Forschergruppen an der Universität Würzburg und der Universität Hiroshima gesucht. Die photoelektronenspektroskopischen Versuchsreihen, die an den organischen Halbleitern durchgeführt wurden, bestätigten die Bayreuther Berechnungen. Die Orbitale, die für Elektronen in den Randbereichen dieser Moleküle theoretisch prognostiziert worden waren, stimmten mit den Orbitalen überein, die auf der Basis empirischer Daten sichtbar gemacht werden konnten.
U. Bayreuth / PH