16.12.2011

Erstmals massearmer Stern in Kugelsternhaufen nachgewiesen

Mittels Mikrolinseneffekt haben Forscher einen massearmen Stern im Kugelsternhaufen M22 nachgewiesen. Das könnte die Gesamtmasse der Sternhaufen möglicherweise ohne die rätselhafte Dunkle Materie erklären.

Bisher vermutete man bloß, dass es sie geben muss: Massearme und damit extrem lichtschwache Sterne. Doch angesichts der riesigen Distanzen und der schwachen Leuchtkraft von massearmen Sternen versagen selbst modernste Teleskope. Nun weist eine polnisch-chilenisch-schweizerische Forschungsgruppe den ersten massearmen Stern im Kugelsternhaufen M22 auf indirektem Weg nach. Dabei handelt es sich um einen Zwergstern. Der Stern hat etwas weniger als ein Fünftel der Masse unserer Sonne und ist von dieser 3,2 Kiloparsec entfernt – das entspricht etwa 10.000 Lichtjahren.

Abb.:Der Kugelsternhaufen M22 mit der Position des massearmen Sterns, der rund 10.000 Lichtjahre von unserer Sonne entfernt ist. (Bild: UZH)

Der Nachweis, mit dem die Masse sehr genau bestimmt werden konnte, beruht auf dem Gravitationsmikrolinseneffekt. Die Messungen erfolgten am VLT-8-Meter-Teleskop der Eso, das, mit adaptiver Optik ausgestattet, am Paranal-Observatorium in Chile steht.

Im August 2000 entdeckten polnische Astronomen, dass die Helligkeit eines rund zwei Bogenminuten vom Zentrum des Kugelsternhaufens M22 entfernten Sterns während zwanzig Tagen zunahm. Sie vermuteten, dass das Phänomen auf einen Gravitationsmikrolinseneffekt zurückzuführen sei. Dieser beruht darauf, dass sich Licht in der Nähe von grossen Massen entlang von gekrümmten Bahnen und nicht geradlinig ausbreitet. Die Helligkeit des Sterns wird durch die Gravitation eines vor ihm durchziehenden Objekts, das als Linse wirkt, kurzzeitig vergrössert. Der Stern erscheint für kurze Zeit heller, um dann nach dem Durchgang der Linse wieder schwächer zu leuchten.

Abb.: Die Milchstrasse und der Kugelsternhaufen M22, in welchem mittels Gravitationsmikrolinseneffekt der erste massearme Stern nachgewiesen wurde. (Bild: UZH)

Eine am 17. Juli 2011 durchgeführte Kontrollmessung im Paranal-Observatorium bestätigte die Vermutung. Die Detailanalyse zeigte, dass die Quelle ausserhalb von M22 liegt. „Als Linse wirkte ein massearmer Stern innerhalb des Kugelsternhaufens selbst“, erklärt sagt Philippe Jetzer von der Universität Zürich.

Für die Astrophysik ist der erste Nachweis eines massearmen Sterns in einem Kugelsternhaufen von grosser Bedeutung, erlaubt er doch neue Aussagen über den Aufbau dieser Sternansammlungen. Bislang griffen Forscher zur Erklärung der Gesamtmasse von Kugelsternhaufen auf die Dunkle Materie zurück. Deren Existenz ist aber nicht bewiesen. „Die Gesamtmasse oder zumindest ein wesentlicher Teil davon lässt sich jetzt aber auch durch bislang nicht detektierbare, massearme, lichtschwache Sterne erklären“, sagt Jetzer.

UZH / PH

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