Extremer Test an schweren Kernen
Zwei-Elektronen-quantenelektrodynamische Effekte an heliumähnlichem Uran überprüft.
Einem internationalen Forschungsteam ist es gelungen, mit höchster Präzision röntgenspektroskopische Messungen an heliumähnlichem Uran vorzunehmen. Die Ergebnisse des Teams, an dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Helmholtz-Instituts Jena beteiligt sind, zeigen zum ersten Mal die Trennung und separate Überprüfung von Zwei-Schleifen- und Zwei-Elektronen-quantenelektronischen Effekten für den Bereich der extrem starken Coulomb-Felder schwerster Kerne.
Wie Robert Lötzsch vom Institut für Optik und Quantenelektronik der Universität Jena sagt, sei das Besondere, dass die Messungen an den schwersten noch stabilen Atomen vorgenommen wurden. „Bei den Messungen am Wasserstoffatom mit der Kernladungszahl Eins können wir die Übergänge präzise bis zu 13 Stellen nach dem Komma messen“, sagt Lötzsch. Beim nun verwendeten Uran mit einer Kernzahl von 92 seien präzise Messungen bis zur fünften Nachkomma-Stelle gelungen. Gemessen werde der Übergang von Elektronen aus ihren Bahnen.
Ort des Ganzen war der Energiespeicherring (ESR) von GSI/FAIR in Darmstadt – eine Teilchenbeschleunigeranlage, die von mehreren europäischen Ländern gemeinsam genutzt wird. An den aktuellen Messungen waren Arbeitsgruppen aus Polen, Frankreich, Portugal und Deutschland unter Federführung von Martino Trassinelli und Robert Lötzsch beteiligt. Die Anlage in Darmstadt teilt sich in den Ionenspeicherring, dessen Umlaufbahn über 100 Meter misst, und einen davor geschalteten Beschleuniger, der mehr als einen Kilometer lang ist.
Den Ablauf des Experiments beschreibt Robert Lötzsch so: Zunächst werden freie Ionen erzeugt. Dazu wird Uran verdampft und dann enorm beschleunigt, auf etwa vierzig Prozent der Lichtgeschwindigkeit. Das so entstandene Material wird durch eine spezielle Folie geleitet und verliert dabei Elektronen. Danach werden die beschleunigten Teilchen in den Speicherring geleitet, wo sie um die Kreisbahn jagen. „Bis zu 50 Millionen Mal pro Sekunde flitzen die Teilchen an unseren Spektrometern vorbei, ab und zu gibt es dabei einen Elektronenübergang, den wir per Spektrometer erfassen können“, so Lötzsch. Das spezielle Bragg-Kristallspektrometer sei in Jena gebaut worden.
Als Herzstück des Spektrometers diene ein speziell gebogener Kristall aus dem Element Germanium, sagt Robert Lötzsch. „Dieser Kristall ist so dünn wie ein Blatt Papier, er wird in eine spezielle Glasform eingelegt“, so Lötzsch. Das erfordere viel Know-how und sei eine Jenaer Entwicklung. Seit mehr als dreißig Jahren werde an der Entwicklung solcher Messgeräte geforscht.
Die Reihe von Experimenten, deren Ergebnisse jetzt veröffentlicht wurden, hat die Forschungsgruppe bereits 2021 durchgeführt. Gut drei Wochen um die Osterzeit wurden benötigt, unter den erschwerten Bedingungen der Corona-Pandemie. Doch der Aufwand habe sich gelohnt, so der Experimentalphysiker: „Wir haben erfolgreich getestet, ob unser theoretisches Verständnis auch in dieser exotischen Nische der vorhandenen Materie zutrifft.“
U. Jena/ DE