Fliegen nach Vorbild der Venusfliegenfalle
Bionische Landeklappen könnten Tragflächen aerodynamischer machen.
Wissenschaftler des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) forschen an einer verformbaren Flügelhinterkante, die sich stufenlos in beliebige Zielformen bewegen kann und klassische Landeklappen überflüssig macht. Die Klappen an den Tragflächen heutiger Verkehrsflugzeuge werden durch eine aufwendige Mechanik betätigt. Deren Verkleidung sowie entstehende Spalte beim Ausfahren beeinträchtigen die Aerodynamik, erhöhen dadurch den Kraftstoffverbrauch und tragen zudem zum Fluglärm bei. Die neue Technologie ist dagegen nach dem Bewegungsvorbild der Venusfliegenfalle flexibel. Sie ermöglicht einen spaltfreien Übergang zwischen Tragfläche und Klappen.
Abb.: Verschiedene Stellungen des Landeklappendemonstrators (Bild: DLR)
Bei der Suche nach einer technischen Möglichkeit, die Tragflächenhinterkante während des Fluges ideal verformen zu können, hat sich die Venusfliegenfalle als erstaunlich guter Ideengeber herausgestellt. Das verwundert aber nur auf den ersten Blick. „Die fleischfressende Dionaea Muscipula muss sehr schnell ihre Fangblätter zusammenklappen können, um ihre fliegende Insektenbeute zu fangen“, sagt Benjamin Gramüller vom DLR-Institut für Faserverbundleichtbau und Adaptronik. „Das schafft Sie durch eine Druckänderung in den Blattzellen und einer evolutionär optimierten Geometrie der Blattform.“ Untersuchungen haben gezeigt, dass die Venusfliegenfalle durch Wasserdruck eine Vorspannung aufbaut, die sie im Auslösefall, wenn etwa eine Fliege die Falle betritt, schnell entladen kann. Dann schnappt die Falle zu. „Das Bewegungsprinzip der Pflanze nutzen wir nun für Luftfahrtanwendungen“, so Gramüller.
Der Forscher und seine Kollegen haben die Idee des Zellverbundes, der unter Druck eine gewünschte Form annimmt, auf die Flügelhinterkante übertragen. Sie entwickelten dafür weltweit erstmals einen Landeklappendemonstrator, der mit Druckluft betrieben wird und flexibel aerodynamische Formen für den Reiseflug oder den Landeanflug annehmen kann. Die Kunststoffzellen im Demonstrator haben verschiedene Größen, um der Form einer Flügelhinterkante gerecht zu werden. Zwei Zellschichten liegen übereinander. „Um die Kante anzuheben, geben wir Druckluft in die untere, um sie abzusenken in die obere Zellschicht“, erklärt Gramüller. „Die Druckluft ist durch das bestehende Druckluftsystem eines Flugzeugs später leicht verfügbar.“ Mit der neuartigen Flügeltechnologie konnten die Forscher bereits zeigen, dass sich abhängig von der zugeführten Druckluft die gewünschten Klappenformen für Start und Landung ergeben.
Den ausgefahrenen Landeklappen verdankt ein Flugzeug, bei langsamer Geschwindigkeit durch einen erhöhten Auftriebsbeiwert in der Luft zu bleiben. Die Klappen vergrößern die Wölbung der Tragflächen im Langsamflug und kompensieren so den Geschwindigkeitsverlust. Zukünftig planen die Wissenschaftler, ihre neue Klappentechnologie im Windkanal zu testen. Das Forschungsvorhaben PACS (Pressure Actuated Cellular Structures) wird in Zusammenarbeit mit Airbus Defence and Space durchgeführt.
DLR / DE