19.03.2012

Fliegende Quantenbits

Ein internationales Forscherteam hat mit einzelnen Elektronen in Halbleitern eine neue Art von Qubits realisiert. Ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Quantencomputer.

Das Alphabet der Datenverarbeitung könnte in Zukunft mehr Elemente als die „0“ und „1“ umfassen – mithilfe von quantenmechanischen Überlagerungszuständen. Ein internationales Forscherteam setzte nun einen Effekt in die Tat um, den Andreas Wieck, Physiker an der Ruhr-Universität Bochum, bereits vor 22 Jahren theoretisch vorhergesagt hatte. Damit ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zum Quantencomputer getan.

Abb.: Elektronen-Einbahnstraßen: In diesem Doppelkanal bewegen sich einzelne Elektronen (blau) auf definierten, parallelen Wegen. Durch Tunnelkopplung kann ein Elektron zwischen den Kanälen hin- und herwechseln und nimmt dabei zwei verschiedene Zustände ein, die mit „Pfeil nach oben“ und „Pfeil nach unten“ bezeichnet sind. Das Elektron fliegt quasi gleichzeitig in beiden Spuren, seine beiden Zustände überlagern sich. (Bild: A. Wieck)

Die Grundeinheit der heutigen Datenverarbeitung sind die Bit-Zustände „0“ und „1“, die sich in ihrer elektrischen Spannung unterscheiden. Um diese Zustände zu codieren, ist nur die Ladung der Elektronen entscheidend. „Elektronen haben aber auch noch andere Eigenschaften“, sagt Wieck und genau die braucht man für Quantenbits. „Die Erweiterung von Bits auf Quantenbits kann die Rechenleistung von Computern dramatisch steigern“, so der Physiker.

Ein Quantenbit entspricht einem einzigen Elektron, das sich in einem bestimmten Zustand befindet. Gemeinsam mit seinen Kollegen nutzte Wieck die Flugbahnen eines Elektrons durch zwei dicht beieinander liegende Kanäle für die Codierung. Prinzipiell sind zwei verschiedene Zustände möglich: Das Elektron bewegt sich entweder im oberen Kanal oder im unteren Kanal – das wäre dann aber wieder nur ein binäres System. Laut Quantentheorie kann sich ein Teilchen jedoch gleichzeitig in mehreren Zuständen befinden, also quasi zur selben Zeit durch beide Kanäle fliegen. Diese überlagerten Zustände können dann ein umfangreiches Alphabet der Datenverarbeitung bilden.

Um Quantenbits mit unterschiedlichen Zuständen zu erzeugen, ließen die Forscher einzelne Elektronen mit sich selbst interferieren. Das funktioniert mit dem Aharonov-Bohm-Effekt: Angetrieben von einer äußeren Spannung fliegen die Elektronen durch einen halbleitenden Festkörper. Innerhalb dieses Festkörpers wird ihre Flugbahn erst gegabelt und schließlich wieder zusammengeführt. Dabei fliegt jedes Elektron gleichzeitig auf beiden möglichen Wegen. Vereinen sich die beiden Wege wieder, kommt es zur Interferenz – die beiden Elektronenwellen überlagern sich und es entstehen Quantenbits mit verschiedenen überlagerten Zuständen.

Normalerweise bewegt sich eine Elektronenwelle gleichzeitig auf vielen verschiedenen Pfaden durch einen Festkörper. Durch Verunreinigungen im Material verliert sie ihre Phaseninformation und somit ihre Fähigkeit, einen bestimmten Zustand zu codieren. Um die Phaseninformation zu erhalten, züchteten die Forscher an der RUB einen hochreinen Galliumarsenid-Kristall und nutzten den von Wieck vor über 20 Jahren vorgeschlagenen Doppelkanal.

Ein Elektron erreicht die Weggabelung über zwei dicht beieinander liegende Kanäle. Diese sind miteinander gekoppelt (Tunnelkopplung), so dass das Elektron gleichzeitig auf zwei verschiedenen Pfaden fliegt. Die Phasen der Elektronenwellen bleiben durch die Kopplung erhalten. Den gleichen Doppelkanal verwendete das Team auch, nachdem die Elektronenwellen sich am Ende der Weggabelung wieder vereinten. So erzeugten sie Quantenbits mit eindeutigen Zuständen, die sich eignen, um Information zu codieren. „Leider nehmen noch nicht alle Elektronen an diesem Prozess teil, bislang sind es nur ein paar Prozent“, sagt Wieck. „Einige Doktoranden an meinem Lehrstuhl sind aber schon dabei, Kristalle mit höheren Elektronendichten wachsen zu lassen.“

RUB / PH

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