19.06.2012

Freud und Leid

Am 15. Juni sind die Entscheidungen in der zweiten Runde der Exzellenzinitiative gefallen – insgesamt sechs Exzellenzcluster konnten sich in der Physik durchsetzen, drei davon sind Neuanträge.

Selten liegen Freud und Leid so dicht beieinander wie in einem Wettbewerb. Und so konnten naturgemäß einige Universitäten und Fachbereiche die Sektkorken knallen lassen nach der Verkündung der Ergebnisse in der Exzellenzinitiative, während es an anderen Orten Deutschlands lange Gesichter gab. Rund 2,4 Milliarden Euro stehen für die zweite Runde der Exzellenzinitiative zur Verfügung, die sich in den drei Förderlinien auf 99 Projekte an 39 Universitäten aufteilen. Elf Universitäten dürfen künftig den Titel „Elite-Universität“ tragen, zu den bereits bestehenden – RWTH Aachen, FU Berlin, U Heidelberg, U Konstanz, LMU München und TU München – gesellen sich neu die HU Berlin, U Bremen, TU Dresden, U zu Köln und U Tübingen. Zudem waren 43 von 64 Anträgen für Exzellenzcluster erfolgreich und 45 Anträge auf Graduiertenschulen (von 63). In der Physik wurden sechs Exzellenzcluster bewilligt – drei davon waren bereits in der ersten Runde der Exzellenzinitiative dabei, nämlich die Cluster aus München (s. Tabelle). Zudem dürfen sich die TU Dresden und die Universitäten Mainz und Hamburg über neue Physik-Exzellenzcluster freuen. Insgesamt sieben Graduiertenschulen gibt es künftig im Bereich Physik, zwei sind neu dabei.

Auf der Gewinnerseite kann sich beispielsweise die Physik in Hamburg über den neu bewilligten Exzellenzcluster Hamburg Centre for Ultrafast Imaging (CUI) freuen, der die Struktur, Dynamik und Kontrolle von Materie auf atomarer Skala zum Thema hat. „Ein Highlight ist sicherlich, dass wir in Echtzeit verfolgen wollen, wie chemische Bindungen entstehen oder aufbrechen“, führt der Physik-Professor Klaus Sengstock aus, einer der drei Sprecher des Clusters. Zwei andere Ziele sind die Röntgenstrukturanalyse von biologisch oder medizinisch relevanten Stoffen sowie die Entwicklung neuer Materialien wie z. B. Hochtemperatur-Supraleiter. Mit an Bord sind das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg sowie Max-Planck-Forschergruppen zur Strukturdynamik. Grundlage für den jüngsten Erfolg waren zwei Cluster zur Photon Science bzw. Nanochemie, die 2009 in der Hamburger Landesexzellenzinitiative bewilligt wurden und seitdem jährlich jeweils 1,2 Millionen Euro erhalten. „Wir waren dadurch in einer hervorragenden Ausgangsposition“, betont denn auch Klaus Sengstock, der den neuen Cluster nun zügig ins Rollen bringen und bald erste Stellen ausschreiben möchte. Von dem Exzellenzcluster verspricht er sich einen deutlichen Schub, der insbesondere den hervorragenden Nachwuchs anlocken soll. „Wir wollen Hamburg zu einem weltweit sichtbaren Zentrum für die Untersuchung ultraschneller Dynamik ausbauen“, blickt Sengstock in die Zukunft.


Förderlinie Universität Titel
Exzellenzcluster TU Dresden Zentrum für Perspektiven
in der Elektronik Dresden
U Hamburg Hamburger Zentrum
für ultraschnelle Beobachtung
U Mainz Präzisionsphysik, Fundamentalkräfte
und Struktur der Materie
LMU München Nanosystem Initiative München
LMU München Münchner Zentrum für
fortgeschrittene Photonik
TU München Ursprung und Struktur des Universums
Graduiertenschule TU Darmstadt Darmstädter Graduiertenschule für
Energiewissenschaft und -technik
U Erlangen-Nürnberg Erlangen Graduiertenschule für
Fortschrittliche Optische Technologien
U Heidelberg Heidelberger Graduiertenschule
für fundamentale Physik
Karlsruher Institut
für Technologie (KIT)
Karlsruher Graduiertenschule für
Optik und Photonik
KIT Karlsruher Graduiertenschule für
Elementarteilchen- und Astroteilchenphysik
U zu Köln Graduiertenschule Bonn-Köln
in Physik und Astronomie
U Mainz Materialwissenschaft in Mainz

Tab.: Aufstellung der Projekte in der Physik, neu bewilligte sind kursiv gesetzt.

Zu den Verlierern zählen u. a. die beiden Physikcluster aus Hannover und Karlsruhe, die nun nach der ersten Runde sehen müssen, wie es für sie weitergeht. Besonders bitter für Karlsruhe: Mit dem Votum gegen das Centrum für funktionelle Nanostrukturen (CFN), das bereits vor der Exzellenzinitiative Geld als DFG-Forschungszentrum erhalten hat und in diesem Zuge auch noch bis Sommer 2013 gefördert wird, ist dem KIT auch der Elite-Titel entzogen worden. KIT-Präsident Eberhard Umbach sprach daher verständlicherweise von einer herben Enttäuschung, die es nun zu verdauen gelte. Dennoch blickt er hoffnungsvoll in die Zukunft: „Wir werden am KIT viele Projekte dennoch umsetzen, im Rahmen der verbleibenden finanziellen Möglichkeiten und möglicherweise auf längerer Zeitskala.“ Auch in Hannover war die Enttäuschung groß. Nur viereinhalb Jahre nach der erfolgreichen Bewilligung des Center for Quantum Engineering and Space-Time Research (Quest) steht nun die Frage im Raum, wie man das bisher Geschaffene ohne das Geld aus der Exzellenzinitiative erhalten und fortsetzen kann. Entsprechend sagte Wolfgang Ertmer, Sprecher von Quest, nach der Entscheidung: „Das ist eine sehr traurige Nachricht für uns. Aber wenn ich Revue passieren lasse, was wir in den letzten Jahren hier aufgebaut haben, bin ich sehr optimistisch, dass wir Quest mit anderen Mitteln fördern können.“ Trotz dieses Rückschlags steht für die Hannoveraner fest, dass sie die personelle Infrastruktur aufrechterhalten wollen – beispielsweise über Sonderforschungsbereiche.

Noch für zwei Jahre bekommen alle nicht mehr bewilligten Projekte – drei Zukunftskonzepte, fünf Graduiertenschulen und sechs Exzellenzcluster – eine Auslauffinanzierung, die im ersten Jahr nach Ablauf der Förderung bis zu 70 Prozent und im zweiten Jahr bis zu 40 Prozent der für das letzte Jahr der Förderung bewilligten Mittel beträgt. Insgesamt stehen für diese Auslauf- und Überbrückungsfinanzierung 91,2 Millionen Euro zur Verfügung. Das dürfte ein schwacher Trost sein für diejenigen, die auf eine zweite Förderperiode gehofft hatten. Was nach der Auslauffinanzierung kommt, steht in den Sternen – eine weitere Runde in der Exzellenzinitiative wird es jedenfalls nach bisherigen Aussagen nicht geben.

Während die einen ihre Wunden lecken und neue Pläne schmieden müssen, beginnt für die anderen eine aufregende Zeit, in der sie beispielsweise einen Exzellenzcluster mit rund 100 Mitarbeitern aufbauen können. Fünf Jahre dauert ihre Bewährungsprobe, denn bei der Pressekonferenz am 15. Juni stellte ihnen DFG-Präsident Matthias Kleiner eine mögliche zweite Förderperiode in Aussicht: „Schon aus Gründen der Vernunft und der Fairness kann es keinen Zweifel darüber geben, dass auch die heute neu bewilligten Einrichtungen nach fünf Jahren die Chance auf eine zweite Förderung erhalten müssen – natürlich im Wettbewerb und unter strenger Begutachtung und Bewertung“, forderte er. Die Zeit läuft also.

Maike Pfalz

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