23.04.2015

Galaktische Ausreißer

Enge Begegnung von drei Gala­xien kata­pul­tiert Stern­sys­teme aus Haufen hinaus.

Kompakte elliptische Galaxien enthalten bei einem Durchmesser von wenigen tausend Licht­jahren mehrere Milliarden Sterne. Knapp dreißig solcher Stern­systeme waren bislang bekannt, die meisten davon befinden sich in unmittelbarer Nachbar­schaft der zentralen, masse­reichen Galaxie eines Haufens. Diese Lage liefert einen Hinweis auf den Ursprung der seltsamen Systeme: Es handelt sich, so die Vermutung, um ursprünglich ganz normale Exemplare, denen durch die Gezeiten­kraft der nahen Riesen­galaxie die äußeren Sterne entrissen wurden („tidal stripping“).

Abb.: Eine durch Gezeitenkräfte ihrer äußeren Sterne beraubte elliptische Galaxie umkreist eine Riesen­galaxie (oben), es kommt zu einer engen Begegnung mit einem weiteren System (Mitte), durch die das kleine System aus dem Galaxien­haufen heraus katapul­tiert wird (unten). (Bild: ESA / A. Zolotov)

Doch vor zwei Jahren stieß ein Team um Avon Huxor vom Astronomischen Rechen­institut in Heidelberg auf eine isolierte kompakte elliptische Galaxie außerhalb eines Galaxien­haufens. „Die isolierte Position deutet darauf hin, dass es eine weiteren Mechanismus gibt, der solchen Galaxien die äußeren Sterne entreißt“, folgerten die Forscher damals. Inzwischen wurden weitere isolierte kompakte Systeme aufgespürt und haben das Problem drängender gemacht. Entstehen diese Stern­systeme vielleicht aus der Verschmelzung zweier Zwerggalaxien? Das würde in starkem Wider­spruch zu den Ergebnissen numerischer Simulationen der Galaxien­entstehung und -entwicklung im kosmolo­gischen Standardmodell stehen.

Igor Chilingarian und Ivan Zolotukhin von der Staatsuniversität Moskau sind dieser Frage nun mithilfe des „Virtual Astro­nomical Observatory“ nachge­gangen. In diesem Netz astronomischer Datenbanken sind insbesondere die kompletten Daten von großen Himmels-Durch­muste­rungen wie dem optischen Sloan Digital Sky Survey oder dem ultra­violetten Survey des Galaxy Evolution Explorers für Forscher in aller Welt zugänglich.

„Beim Graben in dieser astronomischen Daten-Mine fanden wir 195 weitere kompakte elliptische Galaxien in allen Arten von Umgebungen“, berichten die Forscher. Die meisten dieser Systeme befinden sich erwartungs­gemäß im Inneren von Galaxien­haufen. Doch elf von ihnen sind isolierte System. Die dynamischen Eigenschaften der Galaxien und die Eigen­schaften ihrer Stern­popula­tionen unterscheiden sich allerdings nicht voneinander – ein deutlicher Hinweis auf eine identische Entstehungsgeschichte, so Chilingarian und Zolotukhin.

Die beiden Forscher sehen isolierte kompakte elliptische Galaxien als Opfer enger Begegnungen von gleich drei Galaxien: Das System mit der kleinsten Masse bekommt dabei einen „Kick“ verpasst und wird so mit hoher Geschwindigkeit aus dem Galaxien­haufen hinaus katapultiert. Für dieses Szenario spricht, dass ein Teil der neu entdeckten kompakten ellip­tischen Galaxien, die sich – noch – innerhalb von Haufen befinden, offenbar große Eigenbe­wegungen mit Geschwin­digkeiten zeigen, die größer sind als die Flucht­geschwin­digkeit ihres Haufens.

Abb.: Positionen der aufgespürten kompakten elliptischen Galaxien, sowie Bilder einer Auswahl dieser Systeme. (Bild, : I. Chilingarian & I. Zolotukhin / AAS)

„Das Tidal-Stripping-Szenario kann also alle beobachteten kompakten elliptischen Galaxien erklären, auch die isolierten Systeme“, schließen Chilingarian und Zolotukhin. Der gravi­tative Auswurf durch die Begegnung von drei Galaxien könnte darüber hinaus auch die noch selteneren isolierten ruhigen Zwerg­galaxien erklären. Diese Systeme zeigen keinerlei Anzeichen für ein „tidal stripping“, sind also vor dem Auswurf der großen Galaxie nicht so nahe gekommen, als dass sie durch die Gezeiten­kräfte ihre äußeren Sterne verloren hätten.

Rainer Kayser

OD

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