Gefährlichkeit von Dieselruß mit Synchrotron bestimmt
Die Weltgesundheitsorganisation WHO stuft Dieselruß nach Röntgenspektroskopie-Studie als Erreger von Lungenkrebs ein.
Feinstaub ist gefährlich – diese Erkenntnis ist nicht neu. Doch was macht am Feinstaub die Gefahr aus? Wohl ließ sich rußiger Feinstaub in Filtern einsammeln und die chemischen Bestandteile wurden analysiert. Doch die Frage blieb: wo genau steckt die Gefahr? Sind es die Russpartikel selbst, die Menschen krank machen? Oder sind es Giftstoffe, die der Russ mit sich trägt – wie ein vollgesogener Schwamm?
Abb.: Fett-schwarzer Dieselruß aus dem Auspuff eines US-Trucks. (Bild: EPA)
Das norwegische Gesundheitsministerium ging der Sache mithilfe von Artur Braun nach. Vor seiner Zeit bei der Schweizer Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (EMPA) hatte der Physiker an der Universität von Kentucky gearbeitet und dort 2002 erstmals Russpartikel mit Hilfe von weicher Röntgenstrahlung an einem Synchrotron analysiert. Ergebnis: Dieselpartikel, die unter hohem Druck und großer Hitze im Motor entstehen, besitzen ein Gerüst aus Graphit – das ist im Röntgenlicht deutlich zu sehen. Bei Rußpartikeln aus Holzfeuern, die unter milden Atmosphärenbedingungen entstanden sind, fehlt dieses Graphit-Gerüst. Auch die chemischen funktionellen Gruppen unterschieden sich: Im Dieselruss fanden sich Carboxylgruppen, wie sie auch an Ameisensäure- und Essigsäuremolekülen vorkommen; im Holzrauch fand Braun Hydroxylgruppen wie an Methanol und Ethanol. Qualm ist also nicht gleich Qualm.
Die norwegischen Toxikologen gingen nun einen Schritt weiter und ließen die Rußpartikel mit Hilfe von Lösungsmitteln von den anhaftenden chemischen Giftstoffen bei Brauns Kollegen an der University of North Dakota trennen. Dann analysierte Braun die Bestandteile einzeln im Röntgenlicht: erst die nackten Rußpartikel, danach die Lösung mit den mutmaßlich Krebs erregenden Giftstoffen, die zuvor am Ruß gehaftet hatten. Wieder fand Braun verschiedene funktionelle Gruppen am Kohlenstoffgerüst und konnte sie mit den Befunden seiner früheren Forschungsarbeit vergleichen.
Zugleich testeten die Toxikologen, welche Wirkung die beiden Fraktionen der Rußpartikel auf menschliche Lungenzellkulturen haben. Erstmals wurde also getrennt untersucht, was am Ruß so gefährlich ist. In der Studie ist nach Meinung von Braun zum ersten Mal die Methode der Röntgenabsorptionsspektroskopie (NEXAFS) mit Methoden der toxikologischen Forschung kombiniert worden war.
Das Ergebnis der Studie fiel eindeutig aus: Die nackten Russpartikel lösten in Zellkulturen einen genetischen Entgiftungsmechanismus aus. Die Zellen waren also angegriffen worden. Aber auch die ausgewaschenen, vorher am Ruß haftenden Stoffe zeigten Wirkung: Sie verursachten Entzündungsreaktionen in den Zellen und agierten zudem als Zellgift. Zeitgleich reagierte die Weltgesundheitsorganisation WHO. Mehrere neue Studien – so auch die von Braun und seinen Kollegen aus Norwegen und den USA – hatten auf die Krebs erregende Wirkung von Ruß hingedeutet und die Mechanismen hinreichend erklärt.
Nun konnte nicht mehr, wie seit 1988, von „wahrscheinlicher Krebsgefahr“ gesprochen werden. Die Neu-Einstufung folgte am 12. Juni 2012. Dieselruß gilt jetzt als „erwiesenermaßen“ Lungenkrebs erregend; eine gewisse Wahrscheinlichkeit deutet außerdem darauf hin, dass Dieselruß ebenfalls das Risiko von Blasenkrebs erhöht.
Physiker Braun wendet sich nun – nach seiner „Amtshilfe“ für die Gesundheitsforschung – wieder seiner Aufgabe als Gruppenleiter in der EMPA-Abteilung „Hochleistungskeramik“ zu.
Derzeit ist eine weitere Veröffentlichung zum Thema Feinstaub aus Holzverbrennung in Vorbereitung, zu der Braun ebenfalls entscheidende Beiträge geleistet hat. Die Zusammenarbeit der Disziplinen wird damit nicht enden. „Das medizinisch-wissenschaftliche Potenzial der Synchrotronmethoden für die Analyse der biologischen Wechselwirkung von Zellen mit pathogenen Substanzen ist bei weitem noch nicht ausgereizt“, sagt Braun.
EMPA / PH