Handy als Geiger-Zähler
Moderne Smartphones eignen sich zur Abschätzung ionisierender Strahlung.
Moderne Smartphones gelten als Alleskönner: Telefonieren, im Internet surfen, spielen, Freunde treffen oder Texte verfassen: All das und noch viel mehr ist für viele Millionen Menschen überall auf der Welt aus dem Alltag kaum mehr wegzudenken. Trotzdem sind die Geräte noch immer für Überraschungen gut – beispielsweise lassen sie sich nutzen, um radioaktive Umgebungsstrahlung zu messen.
Abb.: Versuchsaufbau: Mit einem C-Bogen wurde ein patientenäquivalentes Phantom mit Röntgenstrahlung durchleuchtet (roter Pfeil). Die dabei entstehende Streustrahlung (gelbe Pfeile) konnten mit einer geeichten Messkammer bzw. dem Smartphone nachgewiesen werden. (Bild: Medizinische Hochschule Hannover)
„Der Trick ist der CMOS-Chip der Handykameras“, erläutert Georg Stamm vom Institut für Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Medizinischen Hochschule Hannover. Dieser Kamerachip misst elektromagnetische Wellen. Und nachdem ionisierende Strahlen eine Spielart dieser Wellen sind, lassen sich die Kamerachips der Handys mit Hilfe einer geeigneten Software im Prinzip so ansteuern, diese zu registrieren und zu messen.
Tatsächlich gibt es ein paar Apps für unterschiedliche Betriebssysteme, die genau das angeblich können. „Darunter sind aber auch einige Fake-Apps, sodass wir uns entschlossen haben, diese Fragestellung in einem medizinischen Kontext einmal genauer zu untersuchen“, so Stamm. Was vor allem interessierte, war die Frage, ob sich Smartphones in der Radiologie als Personendosimeter einsetzen lassen. Solche Messgeräte trägt jeder Radiologe und jeder radiologisch-technische Assistent während der Arbeitszeit am Kittel. Sie messen, in welchem Umfang die einzelne Person im Arbeitsalltag ionisierenden Strahlen ausgesetzt ist, um vor einer schädlichen Dosis zu warnen.
Abb.: Bildschirm des Smartphones während der Messung. Die gemessenen Strahlungsereignisse sind als weiße Punkte im Rechteck zu erkennen, ebenfalls die Anzahl der registrierten Ereignisse (619 CPM) und die daraus resultierende Strahlendosisleistung von 20,72 μGy/h. (Bild: Medizinische Hochschule Hannover)
Für die Untersuchung haben Stamm und seine Kollegen die Situation im radiologischen Alltag mit Hilfe einer menschlichen Puppe simuliert, einem Alderson-Rando-Phantom: „Es ist so nachgebildet, dass es die ionisierenden Strahlen in ähnlichem Umfang schwächt und streut wie ein menschlicher Körper.“ Ins Rennen gingen ein Android-Smartphone, das eine kommerzielle App nutzte, die am Helmholtz-Zentrum in München bereits unter Laborbedingungen getestet wurde, außerdem ein iPad mit einer App aus Frankreich. Als Goldstandard dienten ein geeichtes Dosimeter mit Ionisationskammer und eines der moderneren elektronischen Personendosimeter, die Radiologen im Alltag einsetzen. „Wir konnten zeigen, dass es prinzipiell möglich ist, mit Hilfe der Smartphones ionisierende Strahlung zu messen“, so Stamm. Die kalibrierbare App aus München schnitt dabei klar besser ab als die französische App.
Als professionelle Personendosimeter für eine amtliche Personendosimetrie sind die Geräte dagegen bisher eindeutig nicht geeignet. Der Grund sind nicht die Apps, sondern die baulichen Besonderheiten der Smartphones und Tablet-PCs: Der Kamerasensor ist streng in eine Richtung ausgerichtet. Entsprechend liefert er dann und nur dann brauchbare Daten, wenn er korrekt auf die Strahlenquellen ausgerichtet ist. Stamm: „Wenn das Gerät um 45 Grad gekippt wird, ändern sich die Messwerte teilweise erheblich. Die Messungen sind also extrem richtungsabhängig, was eine zuverlässige Dosimetrie unter Alltagsbedingungen unmöglich macht.“
DRG / CT