26.06.2015

Ionen beim Wellenreiten

Keramische Membranen zur Stromerzeugung aus Luft.

„Ionen sind die neuen Elektronen, die Ionik die Elektronik der Zukunft“, sagt Jennifer Rupp, Professorin für Elektrochemische Materialien an der ETH Zürich und bringt damit ihr Forschungsgebiet auf den Punkt. Rupp stellt mit ihrer Gruppe Keramikmaterialien her, welche geladene Atome wie zum Beispiel Sauerstoff- oder Lithium-Ionen sehr schnell leiten können. Bereits heute werden die elektrochemischen Eigenschaften dieser Materialien genutzt, etwa in Lambdasonden von Autokatalysatoren oder in Festoxidbrennstoffzellen. Und die ETH-Professorin ist davon überzeugt, dass die industrielle Bedeutung dieser Materialien stark zunehmen wird – etwa für Gassensoren, für neue Klassen von Datenspeichern und Computer-Schaltkreisen oder zur Umwandlung von chemischer in elektrische Energie und umgekehrt.

Abb.: Freistehende Keramikmembranen: die Welligkeit beeinflusst ihre Eigenschaften als sogenannte Mikro-Energiewandler. (Bild: Nature Materials)

Eine der derzeit wichtigsten Forschungsfragen in ihrem Gebiet sei, wie man diese in der Regel als dünne Membran vorliegenden Materialien optimieren könne, damit sich in ihnen die Ionen schneller bewegten, so Rupp. In einer soeben im Fachmagazin „Nature Materials“ veröffentlichten Studie haben mehrere Doktoranden aus ihrer Gruppe aufgezeigt, dass der Ionentransport sehr stark von der Art und Weise abhängt, wie diese Membranen verspannt sind. Auch ist es ihnen gelungen, die Verspannung der Membranen gezielt zu steuern, was für die Entwicklung künftiger technischer Anwendungen bedeutend ist.

Für ihre Studie arbeiteten die Wissenschaftler mit einer sehr dünnen Keramik-Schicht, konkret mit Gadolinium-dotiertem Ceroxid. „Das ist einer der in der Industrie am häufigsten verwendeten Ionenleiter“, erklärt ETH-Doktorand Sebastian Schweiger. In bisherigen Forschungsarbeiten auf dem Gebiet ist das Material meist als dünner Film auf einem Silizium-Trägermaterial untersucht worden. Yanuo Shi, ein weiterer Doktorand in Rupps Gruppe und Erstautor der nun veröffentlichten Arbeit, erstellte aus dem Material jedoch eine freistehende Membran, indem er das Trägermaterial unter der dünnen Keramikschicht wegätzte. Diese blieb danach nicht etwa flach, sondern wellte sich, weil sich die inneren Spannungen in der Schicht beim Wegätzen veränderten. Auf kleinen Stücken solcher Membranen befestige Shi Mikroelektroden und stellte so winzige Bauelemente her, mit welchen man aus Wasserstoff oder organischen Verbindungen sowie Sauerstoff aus der Luft Strom erzeugen kann.

Dabei konnten die Forschenden zeigen, dass die Anordnung der Elektroden das Wellenmuster der Keramikmembran sowie die Materialstruktur auf Ebene der Atome beeinflusst. Dies wiederum beeinflusst sehr stark die Leitfähigkeit der Membran für Sauerstoff-Ionen. Es gelang den Wissenschaftlern, diesen Effekt im Detail zu beschreiben. „Damit ist es uns nun erstmals möglich, Wellenmuster und Ionenleitfähigkeit solcher Membranen gezielt zu steuern“, so Alexander Bork, ein weiterer an der Arbeit beteiligter Doktorand.

Abb.: Das Wellenmuster von Keramikmembranen hängt davon ab, wie Platin-Elektroden auf den Membranen befestigt werden (mikroskopische Aufnahmen). (Bild: Nature Materials) 

In den vergangenen Jahrzehnten haben Wissenschaftler vor allem versucht, die Leitfähigkeit solcher Ionenleiter zu verändern, indem sie das Material bewusst mit bestimmten Fremdatomen «verunreinigten» – fachsprachlich: dotierten. Die ETH-Forschenden zeigten nun, dass sich die Leitfähigkeit über die Steuerung des Wellenmusters und der Verspannung sehr viel stärker beeinflussen lässt als über die Dotierung.

„Schon in früheren Experimenten ist es Wissenschaftlern aufgefallen, dass die Stromerzeugung in Festoxidbrennstoffzellen je nach Aufbau solcher Zellen sehr stark variiert. Wir haben nun im Experiment mit der Verspannung des Ionenleiters eine mögliche Erklärung für dieses Verhalten gefunden“, sagt Rupp. Es sei nun möglich, ionenleitende Membranen gezielt zu optimieren. Dies fördere die Entwicklung künftiger Gassensoren, ionenbasierten Datenspeichern sowie sogenannter Mikro-Energiewandlern wie beispielsweise Brennstoffzellen – und womöglich einer ganzen Reihe noch unbekannter Anwendungen in der zukunftsträchtigen Ionik.

ETH / LK

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