Kleine Satelliten auf eigenen Beinen
Autonome Nanosatelliten sollen eigene Entscheidungen treffen, um Zeit zu sparen.
Wirbelstürme erkennen, die über den Mars fegen. Meteore detektieren, die auf die Erde hinabstürzen. Ungewöhnliche Blitze erforschen, die aus der Erdatmosphäre in Richtung Weltraum zucken. Geheimnisvolle Lichterscheinungen auf dem Mond ergründen, die bisher wenig erforscht sind. Das sind nur einige Beispiele für Phänomene, die auf der Erde oder anderen Planeten auftreten und sich nicht vorhersagen lassen. Wer solche Ereignisse mit Satelliten beobachten will, braucht dafür spezielle, hoch autonome Technologien. Daran arbeiten Forscher wird an der Universität Würzburg im Team von Hakan Kayal.
Abb.: Ein autonomer Nanosatellit entdeckt einen Meteor und entscheidet dann selbstständig, was er als nächstes tun wird. (Bild: H. Kayal)
Der Plan der Würzburger Raumfahrttechniker: Nanosatelliten – gut dreißig Zentimeter hoch, mit einer Grundfläche von zehn auf zehn Zentimeter – könnten in der Zukunft mit laufenden Kameras beständig in Umlaufbahnen um die Erde oder andere Planeten patrouillieren. Wenn sie ungewöhnliche Erscheinungen registrieren, müssten sie selbstständig ihre weitere Vorgehensweise festlegen: Genügt es, ein Foto zur Erde zu schicken? Oder lohnt es sich, das Phänomen länger zu betrachten und dafür vielleicht sogar die Kamera neu auszurichten?
„Eine solche autonome Zielplanung zu realisieren, ist sehr herausfordernd. Für Nanosatelliten gibt es sie bislang nicht“, sagt Kayal. Vor allem für interplanetare Missionen sei sie aber zwingend nötig, weil die Kommunikation mit Bodenstationen zu viel Zeit kostet. Funkt ein Satellit zum Beispiel eine Nachricht vom Mars zur Erde, so kann das zwanzig Minuten dauern. Bis dann entschieden ist, was der Satellit weiter tun soll, könnte das interessante Ereignis auf dem Mars längst vorbei sein.
Für solche Missionen hat Kayals Team das autonome Sensor- und Planungssystem ASAP entwickelt. Seine Kernkomponenten sollen nun erstmals im Weltraum getestet werden: Die Würzburger Wissenschaftler passen sie für einen Nanosatelliten an, der unter dem Namen SONATE voraussichtlich 2019 in eine Erdumlaufbahn geschossen wird.
Finanzielle Förderung für die SONATE-Mission kommt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), die Mittel stammen aus dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie. Die Geldgeber steuern in den kommenden vier Jahren rund 1,3 Millionen Euro zu dem Projekt bei. Neben dem ASAP-System soll der Nanosatellit eine weitere Neuerung in den Orbit befördern: ADIA/ADIA++, ein automatisches Diagnosesystem für Satelliten, das Kayals Team in Kooperation mit dem Würzburger Informatikprofessor Frank Puppe entwickelt.
„Wir wollen mit ADIA mögliche Fehler und Funktionsstörungen an Bord von Satelliten autonom vorhersagen, die eigentliche Ursache erkennen und perspektivisch besser behandeln können“, so die Professoren. Derzeit laufe die Fehlerbehebung noch mittels Fernsteuerung von der Erde aus – wenn das künftig schneller ginge, ließen sich so manche Schäden oder gar Totalausfälle vielleicht vermeiden.
Wenn sie dieses System bei der SONATE-Mission im Orbit testen, werden die Würzburger Informatiker an Bord des Nanosatelliten verschiedene Fehler produzieren. Dann wird sich zeigen, ob ADIA sein internes Wissen darüber, was an Bord des Satelliten normal und was fehlerhaft ist, richtig einsetzen kann. Studierende in den Luft- und Raumfahrtinformatik-
Ebenfalls für Studierende offen und mit 310.000 Euro ebenfalls vom DLR aus Mitteln des Bundeswirtschaftsministerium gefördert: das Projekt NACOMI. Hierbei werden Kommunikationstechnologien für Nanosatelliten entwickelt, die zu anderen Planeten unterwegs sind. Eine Herausforderung dabei ist die harte Weltraumstrahlung. Sie ist im interplanetaren Raum noch viel stärker als auf einer Erdumlaufbahn, wo das Erdmagnetfeld wie ein Schutzschild wirkt.
Das Projekt wird auch von der Industrie unterstützt; die Tests laufen vorerst ausschließlich auf der Erde, in den Labors der Würzburger Informatik. Am Ende, voraussichtlich im Jahr 2018, soll ein Prototyp stehen, der sich dann bei einem möglichen Folgeprojekt im Weltraum bewähren kann. Auch mit diesem Projekt mischt Kayals Team weltweit ganz vorne mit. „Die NASA macht derzeit zwar etwas Ähnliches, aber ansonsten steht die Entwicklung in diesem Bereich noch am Anfang. Wenn wir das gut hinbekommen, wird das für den Technologiestandort Deutschland ein Vorteil sein“, sagt Kayal.
U. Würzburg / DE