Kosmischer Ziegelstein, himmlische Schlange
Magnetfelder spielen entscheidende Rolle bei der Entstehung massereicher Sterne.
Sterne mit mehr als achtfacher Sonnenmasse sind durch ein wildes Leben und einen frühen Tod gekennzeichnet. Sie blasen starke Sternwinde ab und enden in gewaltigen Explosionen als Supernovae. Sogar die Geburt dieser Sterne ist ein spektakulärer Prozess: Massereiche Sterne entstehen aus sehr dichten und massereichen Kernen von Gas, die sich tief im Inneren von dunklen interstellaren Wolken befinden. Tatsächlich stellten die hohen Werte für die Masse solcher Gaskerne die Forscher schon eine ganze Weile vor ein Rätsel. Denn aufgrund ihrer eigenen Schwerkraft sollten sie sehr schnell kollabieren und sich damit selbst zerstören, lange vor einer möglichen Entdeckung durch irdische Teleskope. Die Untersuchung eines internationalen Forscherteams unter Leitung von Wissenschaftlern des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie zeigt nun erstmalig, dass starke Magnetfelder den Kollaps dieser Wolken verhindern und damit eine entscheidende Rolle bei der Entstehung massereicher Sterne spielen.
Abb.: Links ist die Dunkelwolke „Snake“ als dunkle Silhouette gegen den Hintergrund einer diffusen Mittelinfrarotstrahlung der Milchstraße zu sehen, rechts eine Vergrößerung des dichtesten Teils der Wolke. Falschfarbenbild und Konturen zeigen die Strahlung von kaltem Staub. Die Pfeile stellen die Orientierung aus Polarisationsmessungen abgeleiteten Magnetfelds dar. (Bild: T. Pillai et al. / NASA / Caltech)
„Zum ersten Mal werden wir Zeugen, wie Magnetfelder eine massereiche Staubwolke zusammenhalten und stabilisieren, während die Entstehung von massereichen Sternen in der Wolke initiiert wird”, sagt Thushara Pillai vom MPIfR. „Die Wolke wäre ohne die Unterstützung des Magnetfelds bereits lange kollabiert. In diesem Fall könnten die Verdichtungen innerhalb der Wolke nie genug Masse anhäufen, um Sterne mit dem Vielfachen der Sonnenmasse zu bilden.“
Astronomen vermuten seit langem, dass Magnetfelder interstellare Wolken gegen einen Kollaps unterstützen können. Doch ein direkter Nachweis durch Beobachtungen ist nicht einfach. Es ist ausgesprochen schwierig, Rauschen im Empfänger und schwache Signale von Magnetfeldern zu unterscheiden. Die Forscher müssen jede Himmelsregion über eine Reihe von Nächten hinweg beobachteten, um ein signifikantes Signal zu erhalten. Die Untersuchung von Pillai und ihren Kollegen beinhaltet zwei „Brick“ und „Snake“ genannte Bereiche am Himmel. Der „Brick“ (Ziegelstein) ist eine Region mit ausgesprochen hoher Dichte, bis weit in mittelinfrarote Wellenlängen hinein ähnlich undurchsichtig wie ihr Namensgeber. Sie ist nur einige Dutzend Lichtjahre entfernt von dem massereichen Schwarzen Loch im Zentrum unserer Milchstraße in etwa 26.000 Lichtjahren Entfernung. Der Spitzname „Snake“ (Schlange) leitet sich von der Form einer Dunkelwolke ab, die etwa 12.000 Lichtjahre von der Erde entfernt ist. Das Forschungsteam verwendete Archivdaten von zwei Teleskopen zur Durchführung des Projekts, dem James Clerk Maxwell Telescope und dem Caltech Submillimeter Observatory.
Die Geometrie des Magnetfelds ergibt sich aus der Beobachtung von Staubpartikeln, die sich anhand der Magnetfeldlinien ausrichten. Die Staubkörner geben polarisierte Radiostrahlung ab. Zufällige Gasbewegungen im Inneren der Wolken führen zu Störungen der Feldlinien. „Man könnte dabei an den Anschlag einer Gitarrensaite denken“, sagt Paul Goldsmith vom Jet Propulsion Laboratory. „Bei einem Saiteninstrument hält die Spannung der Saite das Ganze gerade. In unseren Wolken geschieht das entsprechend durch die Stärke des Magnetfeldes, das die Feldlinien geradebiegen möchte. Das Ausmaß der Gradlinigkeit der Feldlinien lässt es deshalb zu, die Feldstärke zu bestimmen.“ Eine solche Messung wurde bereits im Jahr 1953 von den beiden berühmten Physikern Chandrasekhar und Fermi vorgeschlagen. Aber erst jetzt sind die Teleskope empfindlich genug, um solche Messungen in Sternentstehungsgebieten der Milchstraße möglich zu machen.
Die vorliegende Untersuchung eröffnet ein neues Kapitel in Forschungsprojekten, die bereits in den frühen 1980er Jahren am 100-m-Radioteleskop Effelsberg des MPIfR begannen. Bei den ersten Kartierungen von dichtem Gas im Zentralbereich der Milchstraße identifizierten die Forscher bereits ungewöhnlich massereiche Wolken, darunter den „Brick“. Diese Entdeckung führte zu einer Reihe von Folgestudien, wie Jens Kauffmann vom MPIfR erläutert: „Vor zwei Jahren konnten wir zum ersten Mal die innere Struktur des Bricks analysieren. Wir waren sehr überrascht, dass es nur wenige Unterstrukturen darin gab. Irgendetwas schien das Gas am Zusammenklumpen zu hindern. Heute wissen wir, dass ein starkes Magnetfeld das bewirken könnte.“ Das Forschungsteam hat bereits mit einem Projekt begonnen, in dem eine große Zahl weiterer massereicher Staubwolken dieser Art untersucht wird. Dafür werden sie in Zukunft das APEX-Teleskop des MPIfR in der chilenischen Atacama-Wüste benutzen. APEX ist zurzeit das einzige Teleskop weltweit, das die entsprechenden Empfänger zur Durchführung solcher Messungen besitzt.
MPIfR / RK