03.03.2006

Kühlung auf Knopfdruck

Spezielle Metalloxidfilme zeigen einen unerwartet hohen elektrokalorischen Effekt. Vielleicht die Chipkühlung der Zukunft?


Kühlung auf Knopfdruck

Spezielle Metalloxidfilme zeigen einen unerwartet hohen elektrokalorischen Effekt. Vielleicht die Chipkühlung der Zukunft?

Cambridge (Großbritannien) - Surrende Lüfter und Kühlrippen verhindern heute ein zerstörerisches Aufheizen von schnell getakteten Prozessoren. Aber auf der Wunschliste der Chiphersteller stehen sowohl leisere als auch Platz sparende Alternativen für eine effektive Kühlung. Britische Physiker schlagen dafür nun ein kristallines Material vor, dessen Temperatur sich über ein elektrisches Feld quasi per Knopfdruck absenken lässt. Wie sie in der Zeitschrift "Science" berichten, entdeckten sie in dünnen Filmen aus speziellen Metalloxiden einen unerwartet hohen elektrokalorischen Effekt.

"Wir können einen riesigen elektrokalorischen Kühleffekt von 0,48 Kelvin pro Volt in 350-Nanometer-Filmen aus Bleizirkoniumtitanoxid (PbZr 0,95Ti 0,05O 3) beobachten", schreiben Alex Mischenko von der University of Cambridge und seine Kollegen von der Cranfield University in Beds. In den 1950er Jahren erstmals entdeckt, waren bis heute nur Materialien bekannt, deren Kühleffekt etwa um das Hundertfache darunter lag. Die britischen Wissenschaftler erreichten diesen Sprung durch die Anordnung des an Zirkonium reichen Perovskit-Kristalls in wenigen hundert Nanometer dünnen Schichten. Die Idee dafür gründet sich auf den großen pyroelektrischen Effekt dieses Materials. In Umkehrung zum elektrokalorischen Phänomen werden bei diesem messbare Spannungen durch kleine Temperaturunterschiede erzielt. Anwendung findet er in empfindlichen Infrarot-Detektoren, Temperatursensoren und bei speziellen Kondensatoren.

Eine Ursache für den Kühleffekt durch elektrische Felder vermuten Mischenko und Kollegen in der Umwandlung der Kristallstruktur und den damit verbundenen Wechsel der magnetischen Eigenschaften des Metalloxids. Im Messbereich nahe der ferroelektrischen Curie-Temperatur von 222 Grad Celsius wandelt sich die rhombohedrische Phase in eine paraelektrische, kubische Kristallstruktur. Eine Spannungsänderung von einem Volt führte in den Experimenten zu einer Abkühlung von fast einem halben Grad. Insgesamt konnte der Metalloxidfilm bei wirkenden Feldern von etwa 480 Kilovolt pro Zentimeter bei einer Spannungsänderung von 25 Volt um 12 Grad abgekühlt werden. "Doch die Mechanismen, die dem elektrokalorischen Effekt zugrunde liegen, sind noch nicht komplett geklärt", so die Autoren.

Mehrere Theorien werden derzeit diskutiert. So könnte der Kühleffekt durch die Änderung der Polarisation, verursacht über das wirkende elektrische Feld, verursacht werden. Widersprüchlich sind derzeit die Annahmen, ob dieser Vorgang eher oberhalb oder unterhalb der Phasenwechseltemperatur auftritt. Auch die Bedeutung der Wechsel zwischen den ferroelektrischen, antiferroelektrischen und paraelektrischen Phasen wird diskutiert.

Unabhängig von diesen noch offenen Fragen wollen Mischenko und Kollegen den Arbeitsbereich von 222 Grad an besser nutzbare Temperaturen anpassen. "Es gibt zahlreiche Ansätze, um den elektrokalorischen Effekt zu optimieren", so die Forscher. Dazu gehört eine Nanostrukturierung der Einkristalle. Und durch ein partielles Ersetzen der Zirkonium-Anteile durch Zinn könnte sich der Effekt näher zur Raumtemperatur verschieben lassen. Doch von einer technischen Anwendung als stummer Kühlkörper in einem Computer sind diese Materialien noch weit entfernt. Es ist denkbar, dass der Durchbruch erst nach einer eindeutigen theoretischen Erklärung des elektrokalorischen Effekts erreicht werden kann.

Jan Oliver Löfken

Weitere Infos:

Weitere Literatur:

  • B. A. Tuttle, D. A. Payne, Ferroelectrics 37, 603 (1981).  
  • P. D. Thacher, J. Appl. Phys. 39, 1996 (1968).  
  • W. N. Lawless, Phys. Rev. B 16, 433 (1977).  
  • E. Fatuzzo, W. J. Merz, Ferroelectricity (North-Holland,  
  • Amsterdam, 1967).  
  • T. Mitsui, I. Tatsuzaki, E. Nakamura, Introduction to the Physics of Ferroelectricity (Gordon and Breach, London, 1976).  
  • F. Jona, G. Shirane, Ferroelectric Crystals (McMillan, NY, 1962).  
  • J. F. Scott, Ferroelectric Memories (Springer, Berlin, 2000).  
  • M. E. Lines, A. M. Glass, Principles and Applications of Ferroelectrics and Related Materials (Oxford Univ. Press, Oxford, 1977).

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