Magnetar mitten in der Milchstraße
Pulsar mit starkem Magnetfeld zum Studium des zentralen supermassereichen schwarzen Lochs genutzt.
Pulsare sind rasch rotierende, extrem dicht gepackte Neutronensterne, die wie kosmische Leuchttürme äußerst präzise Radioblitze abstrahlen. Die rund 20 Kilometer durchmessenden Objekte eignen sich in idealer Weise, um die Umgebung schwarzer Löcher zu studieren. Deshalb war die Entdeckung eines Pulsars im Zentrum unserer Milchstraße eines der Hauptziele der Pulsarastronomie in den vergangenen 20 Jahren. Im Herzen der Galaxis befindet sich nämlich das uns nächst gelegene supermassereiche schwarze Loch mit der viermillionenfachen Sonnenmasse, Sagittarius A* (Sgr A*) genannt.
Abb.: Die künstlerische Darstellung zeigt PSR J1745-2900, einen Pulsar mit einem sehr starken Magnetfeld in unmittelbarer Umgebung zum supermassereichen schwarzen Loch mit ungefähr viermillionenfacher Sonnenmasse. (Bild: MPIfR / R. P. Eatough)
Ein Pulsar im galaktischen Zentrum, so die Hoffnung der Forscher, ließe sich etwa dazu nutzen, die Krümmung der Raumzeit in unmittelbarer Umgebung des schwarzen Lochs zu messen und dabei zu überprüfen, ob Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie auch solch extremen Tests standhält. Trotz langen Suchens schien das Herz der Milchstraße jedoch eine Pulsar-freie Zone zu sein – bis zum Frühjahr dieses Jahres.
Satelliten der US-Raumfahrtbehörde NASA hatten den Strahlungsausbruch einer neuen Röntgenquelle in Richtung des galaktischen Zentrums mit der Aussendung von pulsierender Röntgenstrahlung entdeckt. Aus den Daten schlossen die Wissenschaftler, dass es sich um einen Magnetar – einen jungen Neutronenstern mit extrem starkem Magnetfeld – handeln musste.
„Sobald wir von der Entdeckung regelmäßiger Pulse im Röntgenbereich mit dem NuSTAR-Teleskop gehört hatten, haben wir das Effelsberger 100-Meter-Teleskop in Richtung des galaktischen Zentrums ausgerichtet”, sagt Ralph Eatough von der Forschungsabteilung Radioastronomische Fundamentalphysik am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Bei den ersten Beobachtungen war der Pulsar noch nicht eindeutig sichtbar. Beim zweiten Versuch aber erwies er sich im Radiobereich als recht aktiv und sehr leuchtkräftig“, sagt Eatough. Aufgrund der besonderen Lage des Objekts hatte das Team einigen Aufwand betrieben, um zu sichern, dass es sich dabei um eine reale Quelle im fernen Universum handelt und nicht etwa um von Menschen erzeugte Störstrahlung auf der Erde.
Zusätzliche Beobachtungen stammen von verschiedenen Radioteleskopen weltweit. Dabei erlebten die Forscher weitere Überraschungen: „Wir haben die Radiohelligkeiten ausgerechnet und konnten kaum glauben, dass dieser Magnetar inzwischen so hell geworden war“, sagt Evan Keane vom Jodrell-Bank-Observatorium in England. „Das Radioteleskop Effelsberg ist Anfang der 1970er-Jahre so gebaut worden, dass man auch Zugang zum galaktischen Zentrum hat. Und vier Jahrzehnte später wird der erste Radiopulsar im Herzen der Milchstraße mit Effelsberg entdeckt“, sagt Heino Falcke, Professor an der Radboud-Universität Nimwegen. „Manchmal brauchen Astronomen eben Geduld. Es war anstrengend, aber am Ende hatten wir Erfolg.“
Der neu entdeckte Pulsar mit der Bezeichnung PSR J1745-2900 gehört zu einer speziellen Gruppe von Pulsaren, den sogenannten Magnetaren. Diese Objekte besitzen extrem starke Magnetfelder in der Größenordnung von 100 Millionen Tesla – das ist ungefähr 1000-fach stärker als das Magnetfeld von normalen Neutronensternen oder 100 Billionen mal stärker als das Magnetfeld der Erde. Die Strahlung von Magnetaren ist sehr stark polarisiert. Misst man die Drehung der Polarisationsebene – verursacht durch den Faraday-Effekt in einem von außen wirkenden Magnetfeld –, so lässt sich die Stärke des Magnetfelds in Richtung des Pulsars bestimmen.
Abb.: Das 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg bei Beobachtungen im Rahmen eines regelmäßigen Suchprogramms für neue Pulsare in Richtung des galaktischen Zentrums. (Bild: MPIfR / R. P. Eatough)
Die Magnetfeldstärke in der direkten Umgebung des schwarzen Lochs im galaktischen Zentrum ist eine wichtige Kenngröße. Das Massemonster verschluckt bei der Akkretion letztendlich Material aus seiner direkten Umgebung, hauptsächlich heißes ionisiertes Gas. Die von dem einfallenden Gas erzeugten Magnetfelder können Struktur und Dynamik des Akkretionsflusses beeinflussen und ihn sogar blockieren.
Dank des neuen Pulsars haben die Forscher die Stärke des Magnetfelds dort gemessen, wo der Akkretionsfluss zur Zentralquelle einsetzt – die ersten Resultate deuten auf ein starkes und großskalig geordnetes Magnetfeld hin.
„Um die Eigenschaften von Sgr A* verstehen zu können, müssen wir den Akkretionsprozess begreifen, mit dem das Gas in das zentrale schwarze Loch transportiert wird“, sagt Michael Kramer, Direktor am Max-Planck-Institut für Radioastronomie. „Bis jetzt blieb ein Parameter unbekannt, nämlich die Magnetisierung des Gases. Die aber ist entscheidend für die Struktur des Akkretionsflusses.“
Wenn die Akkretion des von ionisiertem Gas erzeugten Magnetfelds bis hin zum Ereignishorizont des schwarzen Lochs erfolgt, lässt sich auch die Strahlung von Radio- bis zu Röntgenwellenlängen erklären, die lange mit der Zentralquelle selbst in Verbindung gebracht wurde. Außerdem können sehr starke Magnetfelder direkt am schwarzen Loch den Akkretionsprozess unterdrücken. Aus diesem Grund „hungert“ Sgr A* im Vergleich zu supermassereichen schwarzen Löchern in anderen Galaxien.
Leider steht auch der neu gefundene Pulsar mit einer Umlaufperiode von mindestens 500 Jahren immer noch in zu großer Entfernung von der Zentralquelle, um die Struktur der Raumzeit direkt im Zentrum detailliert zu erforschen. Außerdem sind die Signale von Magnetaren sehr rauschbehaftet und damit eher ungenaue Uhren. „Im Idealfall möchten wir schneller rotierende Pulsare in geringerem Abstand vom Zentrum finden, um damit die Timing-Resultate noch genauer zu machen“, sagt Ralph Eatough. „Der neue Pulsar lässt hoffen, dass uns das in Zukunft gelingt.“
MPG / PH