20.10.2023

Manipulation kollektiver Bewegungen von Elektronen und Molekülen in polarer flüssiger Lösung

Multiphoton-Ionisation von Molekülen mit einem Femtosekunden-Impuls erzeugt freie Elektronen.

Forscher des Max-Born-Instituts haben die lineare und nichtlineare optische Polaronantwort mit Hilfe ultraschneller zweidimensionaler Spektroskopie im Terahertz-Frequenzbereich untersucht. Wie sie berichten, werden durch Multiphoton-Ionisation von Isopropanol-Molekülen mit einem Femtosekunden-Impuls im nahen Infrarot freie Elektronen erzeugt und die daraus resultierenden Änderungen der dielektrischen Eigenschaften der Flüssigkeit im Terahertz-Frequenzbereich gemessen und manipuliert.

Abb.: Fluktuierenden Alkohol-Moleküle um ein solvatisiertes Elektron.
Abb.: Fluktuierenden Alkohol-Moleküle um ein solvatisiertes Elektron (grüne Kugel). Das Gesamtsystem aus Abschirmwolke und Elektron verrichtet eine konzertierte Polaron-Schwingungsbewegung, also eine Oszillationsbewegung der elektrischen Ladungsdichte.
Quelle: MBI

Ein Elektron und die umgebende Wolke aus Lösungsmittel-Dipolen koppeln durch elektrische Kräfte und können gemeinsame kollektive Bewegungen ausführen. Solche Vielteilchen-Anregungen im Terahertz-Frequenzbereich werden als Polaronen bezeichnet und waren bisher nahezu unerforscht. Neue Ergebnisse ultraschneller Terahertz-Spektroskopie zeigen die Erzeugung und Manipulation kohärenter Polaron-Schwingungen in einem Zeitbereich von hundert Pikosekunden und darüber hinaus. Das ermöglicht die Kontrolle dynamischer elektrischer Eigenschaften polarer Flüssigkeiten.

Die Ionisierung einer polaren Flüssigkeit durch intensive Licht- oder Teilchenstrahlen erzeugt freie Elektronen, die auf einer Zeitskala von Pikosekunden in einen lokalisierten Grundzustand relaxieren. Der Relaxationsprozess umfasst die Neuausrichtung der umgebenden dipolaren Lösungsmittel-Moleküle und die Dissipation überschüssiger Energie. Auf diese Weise bildet sich eine orientierte Molekülwolke, die die Ladung des Elektrons abschirmt. Während umfangreiche experimentelle und theoretische Arbeiten ein Einzelteilchenbild des solvatisierten Elektrons etabliert haben, ist das kollektive Polaronverhalten des Elektrons und der umgebenden Lösungsmittelwolke kaum verstanden.

Wie das Forschungsteam jetzt zeigen konnte, werden während der Elektronenrelaxation in den lokalisierten Grundzustand impulsartig kollektive Polaronschwingungen ausgelöst. Die Oszillationen modulieren die dielektrische Funktion der Flüssigkeit und damit das elektrische Feld eines einzelnen Terahertz-Impulses, der durch die angeregte Probe transmittiert wird. Die Oszillationen halten über einen überraschend langen Zeitraum von über hundert Pikosekunden an. Ihre Frequenz von 3,9 Terahertz wird durch die Elektronenkonzentration und die dielektrischen Eigenschaften der Flüssigkeit bestimmt.

Die Wechselwirkung mit einem zusätzlichen Terahertz-Impuls stört diese oszillatorische Antwort, was zu einer deutlichen Änderung von Schwingungsphase und -frequenz während der Störung führt. Das elektrische Feld des störenden Terahertz-Impulses induziert eine nichtresonante nichtlineare Polarisation, die auf das Polaron einwirkt und die kollektiven Schwingungen von Elektron und Lösungsmittelwolke verändert.

Die Polaronschwingungen sind mit Modulationen der Raumladung verbunden, die zu radialen, longitudinalen Größenschwankungen einer kugelförmigen Molekülwolke führen, die die Ladung des solvatisierten Elektrons abschirmt. Der Durchmesser der Molekülwolke liegt im Bereich einiger Nanometer. Die periodische Größenänderung wirkt sich auf die makroskopische Polarisierbarkeit des Polarons aus, die mit einem elektrischen Terahertz-Feld erfasst werden kann. Der longitudinale Charakter der Oszillationen ist wesentlich für ihre schwache Kopplung an andere Anregungen der Flüssigkeit, was zu einer schwachen Dämpfung der kohärenten Bewegungen führt. Theoretische Berechnungen innerhalb eines Kontinuumsmodells, das auf dem lokalen Feldmodell von Clausius-Mossotti basiert, reproduzieren die beobachteten Phasenmodulationen.

Die Ergebnisse des Teams unterstreichen die Bedeutung von Vielteilchen-Wechselwirkungen in polaren molekularen Ensembles und eröffnen eine Perspektive für die transiente Steuerung und Manipulation dielektrischer Eigenschaften in polaren Flüssigkeiten durch externe Terahertz-Anregung.

MBI / RK


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