Materialwissenschaft in der Schwerelosigkeit
Labor für wissenschaftliche Experimente auf der ISS erfolgreich in Betrieb genommen.
Labor für wissenschaftliche Experimente auf der ISS erfolgreich in Betrieb genommen.
Das materialwissenschaftliche Labor MSL (Materials Science Laboratory) befindet sich seit Ende August 2009 an Bord der Internationalen Raumstation ISS. Anfang November 2009 wurden in dem Labor die ersten beiden Experimente in der Schwerelosigkeit erfolgreich durchgeführt. Kontrolliert und gesteuert wird das MSL vom Nutzerzentrum für Weltraumexperimente (MUSC) des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Köln. Das wissenschaftliche Bodenbegleitprogramm wird vom DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum durchgeführt.
Abb.: Einsetzen der Experimentkartusche in das MSL während eines Tests beim Hersteller Astrium. Im Materials Science Laboratory können in verschiedenen Öfen Proben aus Metallen, Halbleitern oder Gläsern bei bis zu 1400 Grad Celsius unter genau kontrollierten Bedingungen aufgeschmolzen und erstarrt werden. Die Besatzung der ISS ist neben der Wartung auch für das Einsetzen beziehungsweise das Austauschen von Kartuschen, in denen die Experimente enthalten sind, und die Anschlüsse an die Messelektronik zuständig. (Bild: Astrium)
Im Materials Science Laboratory können in verschiedenen Öfen Proben aus Metallen, Halbleitern oder Gläsern bei bis zu 1400 Grad Celsius unter genau kontrollierten Bedingungen aufgeschmolzen und erstarrt werden. Ziel der Forschung ist - vor allem später im industriellen Maßstab - Werkstoffe mit verbesserten Eigenschaften oder zu geringeren Kosten herstellen zu können. Die Besatzung der ISS ist neben der Wartung auch für das Einsetzen beziehungsweise das Austauschen von Kartuschen, in denen die Experimente enthalten sind, und die Anschlüsse an die Messelektronik zuständig.
Das MSL ist ein Gemeinschaftsprojekt der Europäischen Weltraumorganisation ESA und der amerikanischen Weltraumbehörde NASA: Die MSL Anlage ist in dem Materials Science Research Rack (MSRR-1) der NASA integriert und befindet sich im Destiny Modul der ISS. Entwickelt und gebaut wurde MSL von Astrium in Friedrichshafen.
MSL wurde im Rahmen der STS-128 Mission am 29. August 2009 mit dem Space Shuttle Discovery zur ISS transportiert und in das Destiny Modul überführt. Im Oktober 2009 wurden MSRR-1 und MSL zum ersten Mal aktiviert und stellten ihre Funktionalität unter Beweis. Anfang November 2009 konnten die ISS-Astronauten die ersten beiden Experimente erfolgreich durchführen - ein Meilenstein für die materialwissenschaftliche Nutzung der ISS.
Im Rahmen des Bodenbegleitprogramms werden die Experimente der wissenschaftlichen Teams vom DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum getestet, um die Experimentabläufe und Parameter den wissenschaftlichen Anforderungen optimal anzupassen. Dazu werden dutzende Testläufe in Bodenreferenzanlagen durchgeführt. Die Experimente werden mit modernsten Softwaretools numerisch simuliert und in entsprechenden operationellen Abläufen geplant und umgesetzt.
Die Experiment-Proben werden mit der Shuttlemission STS-129 zurück zur Erde gebracht und anschließend von den beteiligten Wissenschaftlern ausgewertet. Im ersten Halbjahr 2010 werden die restlichen elf Proben der ersten Experimentreihe (Batch-1) prozessiert. Weitere Experimente befinden sich bereits in der Planung (Batch-2).
Die ersten MSL-Experimente wurden im Rahmen des ESA MAP (Microgravity Application Programms) durchgeführt. Die ESA MAP Projekte sind Public-Private Partnerships zwischen Industrie, Universitäten, Forschungseinrichtungen und nationalen Agenturen.
Die Projekte CETSOL (Columnar to Equiaxed Transition in Solidification Processing) und MICAST (Microstructure Formation in Casting of Technical Alloys under Diffusive and Magnetically Controlled Convective Conditions) untersuchen verschiedene Wachstumsstrukturen und die Entwicklung der Mikrostruktur während der Erstarrung von Aluminium-Legierungen. Ziel ist ein besseres Verständnis der Parameter und Prozesse, welche die Erstarrung von Metallschmelzen beeinflussen. Mit Hilfe der Ergebnisse sollen numerische Modelle zur Vorhersage der inneren Struktur von Gussteilen überprüft und weiter entwickelt werden. Dies dient der Optimierung bisheriger Gießprozesse, um schließlich Produkte mit besseren und gezielt eingestellten Materialeigenschaften zu erhalten.
Das Experiment CETSOL befasst sich mit der Erforschung grundlegender physikalischer Phänomene bei der Erstarrung von Metallschmelzen und deren Auswirkungen auf die Materialeigenschaften.
Das vom DLR-Institut für Materialphysik im Weltraum geleitete Projekt MICAST untersucht die Entstehung und Entwicklung von Mikrostrukturen bei der Erstarrung von technischen Aluminium-Legierungen unter dem Einfluss von Strömungen, wie sie beispielsweise beim Giessen auftreten. Im Experiment werden die Strömungen durch ein rotierendes Magnetfeld simuliert und die Ergebnisse mit in Schwerelosigkeit, strömungsfrei erstarrten Proben verglichen.
Diese Experimente können ausschließlich auf der ISS durchgeführt werden, da nur hier ausreichend lange Schwerelosigkeit zur Verfügung steht, um die Fragestellungen zu untersuchen. Die Forschung auf der ISS ermöglicht kontrollierte und genau definierte Experimentabläufe, ohne den störenden Einfluss der Schwerkraft und bietet somit ideale Bedingungen für die Grundlagenforschung.
Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt
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