Mesoporöser Halbleiter mit neuen Talenten
Gezielte Nanostrukturierung kann die Materialeigenschaften von Silizium drastisch verändern.
Silizium ist das bekannteste Halbleitermaterial. Doch eine gezielte Nanostrukturierung kann seine Materialeigenschaften drastisch verändern. Ein Team am Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie hat mit einer eigens entwickelten Ätzapparatur jetzt mesoporöse Siliziumschichten mit unzähligen winzigen Poren hergestellt und ihre elektrische Leitfähigkeit sowie Thermokraft untersucht. Die Forscher haben damit erstmals aufgeklärt, wie der elektronische Transport in diesem mesoporösen Silizium funktioniert. Das Material hat großes Potenzial für Anwendungen und könnte auch Qubits für Quantencomputer thermisch isolieren.
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Mesoporöses Silizium ist kristallines Silizium mit ungeordneten nanometergroßen Poren. Das Material besitzt eine riesige innere Oberfläche und ist darüber hinaus biokompatibel. Daraus ergeben sich vielfältige Anwendungsoptionen, von Biosensoren bis zu Batterieanoden und Kondensatoren. Außerdem besitzt das Material eine außergewöhnlich geringe Wärmeleitfähigkeit, was für thermische Isolationsanwendungen interessant ist.
Obwohl mesoporöses Silizium bereits seit Jahrzehnten bekannt ist, fehlte bisher ein fundamentales Verständnis des Transports von Ladungsträgern und der möglichen Beteiligung von Phononen am Ladungstransport in diesem Material. „Die Transporteigenschaften und -prozesse genau zu verstehen, ist aber eine Voraussetzung, um das Material gezielt weiterzuentwickeln“, sagt Klaus Habicht vom HZB. Diese Analyse haben Habicht und sein Team jetzt vorgelegt. Dafür synthetisierten sie eine Reihe von Silizium-Nanostrukturen mit einer am HZB optimierten Ätztechnik und ermittelten die temperaturabhängige elektrische Leitfähigkeit und Thermokraft.
„Durch die Analyse der Messdaten konnten wir eindeutig den grundlegenden Prozess beim Ladungstransport identifizieren“, sagt Tommy Hofmann vom HZB. Die wesentliche Erkenntnis, so der Forscher: „Nicht durch Unordnung lokalisierte Elektronen, die von einem lokalisierten Zustand zum nächsten hüpfen dominieren den Ladungstransport sondern solche in ausgedehnten, wellen-artigen Zuständen.“ Dabei sinkt die Leitfähigkeit mit steigender Unordnung. Die nötige Aktivierungsenergie, um Ladungsträger über eine von der Unordnung abhängige Mobilitätskante zu bringen, steigt.
Anders als bei einem Hüpfprozess spielen Gitterschwingungen keine Rolle im Ladungstransport. Das zeigten insbesondere Messungen des Seebeck-Effekts, bei dem die elektrische Spannung ermittelt wird, die entsteht, wenn die Probe einer Temperaturdifferenz entlang einer definierten Richtung ausgesetzt wird. „Damit liefern wir erstmals eine belastbare und neuartige Erklärung für den mikroskopischen Ladungsträgertransport in ungeordnetem, nanostrukturiertem Silizium“, erklärt Hofmann.
Diese Ergebnisse sind durchaus praxisrelevant, denn mesoporöses Silizium könnte für Qubits auf Silizium-Basis ideal sein. Diese Qubits arbeiten im Tieftemperaturbereich, typischerweise unter einem Kelvin, und benötigen eine sehr gute thermische Isolation, um nicht Wärme aus der Umgebung aufzunehmen und die in Qubits gespeicherte Information auszulöschen.
Auch für Halbleiter-Anwendungen, die bisher an der hohen Wärmeleitfähigkeit von kristallinem oder polykristallinem Silizium scheitern, bietet sich möglicherweise der Einsatz von mesoporösem Silizium an. „Die Unordnung lässt sich gezielt nutzen“, betont Habicht. Halbleiter mit rein stochastisch verteilten Mesoporen wären damit eine neue spannende Materialklasse für technische Anwendungen von der Photovoltaik, Wärmemanagement, Nanoelektronik bis hin zu Qubits für Quantencomputer.
HZB / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
T. Hofmann et al.: Electrons, Localization but no Hopping: Disorder as Key for Understanding Charge Transport in Mesoporous Silicon, Small Struct. 2025, 2400437 (2025); DOI: 10.1002/sstr.202400437 - Dynamik und Transport in Quantenmaterialien (K. Habicht), Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH