Mini-Sensor misst Magnetfelder des Gehirns
Optisches Magnetometer beweist sein Potenzial für preisgünstigere Gehirnstromuntersuchungen für die neurologische Diagnostik und die Grundlagenforschung.
Ein neuer Magnetfeldsensor in Würfelzuckergröße soll in Zukunft die Messung von Hirnaktivität erleichtern. Im „magnetisch stillsten Raum der Welt“ der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Berlin hat der Sensor jetzt eine wichtige technische Prüfung bestanden: Mit ihm konnten erfolgreich sowohl spontane als auch gezielt hervorgerufene Magnetfelder des Gehirns gemessen werden. Damit beweist er sein Potenzial für medizinische Anwendungen, wie z.B. die Untersuchung der Gehirnströme beim Lösen kognitiver Aufgaben als Basis einer neurologischen Diagnostik. Der entscheidende Unterschied zur bisher genutzten Kryoelektronik ist das Wegfallen einer aufwendigen Kühlung, da die vom US-amerikanisches Institut NIST gefertigten optischen Magnetometer bei Raumtemperatur arbeiten.
Abb.: Magnetfeldsensoren von der Größe eines Stückes Zucker mit elektrischen und optischen Zuleitungen. (Bild: PTB/NIST)
Chip-scale Atomic Magnetometer (CSAM) nennen die Wissenschaftler den hochempfindlichen Magnetfeldsensor, der neben der Mikrooptik ein Gas aus Rubidium-Atomen enthält, deren Spinänderung für die Messung genutzt wird. Sie werden direkt am Körper angebracht. Entwickelt wurde der CSAM in vielen Jahren gezielter Forschungs- und Entwicklungsarbeit am NIST (National Institute of Standards and Technology), dem US-amerikanischen Schwesterinstitut der PTB. Die PTB bot den US-Kollegen einzigartige Voraussetzungen für einen Praxistest. Dazu zählen unter anderem der magnetisch am besten abgeschirmte Raum der Welt und eine wissenschaftliche Mannschaft, die in zahlreichen Forschungsprogrammen Erfahrung bei der Messung biomagnetischer Felder des Menschen mittels SQUIDs erwerben konnte.
Bisher verwenden Forscher für die Messung extrem schwacher Magnetfelder kryoelektrische Sensoren, supraleitende Quanteninterferometer, oder kurz SQUIDs. Sie gelten als „Goldstandard“ im Bereich der Magnetfeldmessung. Ihr Nachteil: Erst bei extrem tiefen Temperaturen von –269 Grad Celsius arbeiten sie optimal und ihre Anwendung ist daher teuer und unflexibel. Die Nutzung von CSAM-Sensoren könnte das ändern. Zwar ist ihre Empfindlichkeit noch etwas geringer als die der SQUIDs, doch haben sie das Potenzial für vergleichbar genaue Messungen bei verringerten Kosten.
Während SQUIDs wegen der kryogenen Kühlung immer einige Zentimeter von Körper entfernt bleiben müssen, können CSAMs direkt am Körper platziert werden. Das magnetische Feld der physiologischen Körperströme nimmt stark mit dem Abstand ab, sodass jeder Zentimeter einen großen Gewinn an Signalstärke bringt. Eine wichtige Anwendung ist die Messung der Magnetfeldverteilung um das Gehirn, das Magnetenzephalogramm (MEG). Es ermöglicht, die elektrische Aktivität von Neuronen zu charakterisieren. Derartige funktionale Untersuchungen spielen heute eine immer größere Bedeutung in der Neurologie und der Neurowissenschaft. Sowohl bei psychischen Störungen aller Altersgruppen wie auch bei altersbedingten Erkrankungen besteht ein dringender Bedarf an objektivierbaren elektrophysiologischen Messgrößen, die die klinische Diagnostik unterstützen.
Die Wissenschaftler von NIST und PTB hatten bereits 2010 einen Vorläufer des jetzigen CSAM für Magnetfeldmessung am menschlichen Herzen erfolgreich getestet. Diesmal wurden die CSAM-Sensoren in vier Millimeter Abstand vom Kopf gesunder Testpersonen in Position gebracht. Am Hinterkopf detektierten die Forscher bei wachen Personen Alphawellen – ein Grundrhythmus der elektrischen Hirnaktivität, der sich spontan bei Entspannung einstellt. In einer weiteren Versuchsreihe konnten sie mit den CSAM-Sensoren sogar die Verarbeitung von Berührungsreizen im Gehirn durch das damit verbundene, sehr schwache Magnetfeld aufzeichnen. Zur eindeutigen Validierung der Messergebnisse wurden zu allen CSAM-Messungen parallel MEG-Aufzeichnungen mit den bewährten SQUID-Sensoren durchgeführt.
IF/PTB / PH