Mit Friedmann bis zum Urknall
Gruppenfeldtheorie liefert neuen Ansatz, um Allgemeine Relativitätstheorie und Quantenphysik zu vereinen.
Was im Urknall geschah, lässt sich mit der heutigen Physik nicht beschreiben. Quantentheorie und Relativitätstheorie versagen in diesem nahezu unendlich dichten und heißen Anfangszustand des Universums. Erst eine übergeordnete Theorie der Quantengravitation, welche diese beiden Grundpfeiler der Physik vereinigt, könnte Aufschlüsse bringen. Wissenschaftler vom MPI für Gravitationsphysik (Albert-Einstein-Institut) in Golm/Potsdam und vom Perimeter-Institut in Kanada haben dazu eine Theorie entwickelt, nach der der Raum aus winzigen Bausteinen besteht. Von dieser Grundlage ausgehend gelangen sie zu einer der elementarsten Gleichungen der Kosmologie, der Friedmann-Gleichung, die das Universum beschreibt. Dies zeigt: Quantenmechanik und Relativitätstheorie sind tatsächlich miteinander vereinbar.
Abb.: In einigen modernen Theorien der Quantengravitation, die die Allgemeine Relativitätstheorie und die Quantenmechanik zu vereinigen versuchen, besteht der Raum aus winzigen Elementarzellen oder „Atomen des Raumes“. Die Quantengravitation soll es ermöglichen, die Entwicklung des Universums vom Urknall bis heute mit einer Theorie zu beschreiben.(Bild: T. Thiemann, FAU Erlangen)
Seit nahezu einem Jahrhundert stehen die beiden großen Theorien der Physik unvereinbar nebeneinander: ART und Quantenphysik funktionieren in ihrem Rahmen außerordentlich gut, doch so, wie sie heute formuliert werden, versagen sie in bestimmten Extrembereichen, zum Beispiel auf winzigsten Distanzen wie der Planck-Skala. So verlieren Raum und Zeit in Schwarzen Löchern und vor allem auch im Urknall ihre Gültigkeit.
Daniele Oriti vom AEI stellt sich den Raum aus winzigen Zellen oder „Atomen des Raumes“ aufgebaut vor, für deren Beschreibung eine neue Theorie nötig ist: die Quantengravitation. Ein wesentliches Problem aller Ansätze für eine Quantengravitation besteht darin, die gewaltige Größenskala von den Raum-Atomen zu den Ausmaßen des Universums zu überbrücken. Der Ansatz von Oriti und seinen Kollegen basiert auf der Gruppenfeldtheorie, die eng mit der Schleifen-Quantengravitation verbunden ist. Die Aufgabe bestand nun darin zu beschreiben, wie aus den Elementarzellen der Raum des Universums entsteht.
Diese mathematisch höchst anspruchsvolle Aufgabe führte jüngst zu einem überraschenden Erfolg. „Unter speziellen Annahmen entsteht der Raum aus diesen Bausteinen, und er entwickelt sich wie ein expandierendes Universum“, erklärt Oriti. „Dabei konnten wir direkt im Rahmen unserer vollständigen Theorie über den Aufbau des Raums die Friedmann-Gleichung ableiten“, ergänzt er. Damit ist der Brückenschlag von der Mikro- zur Makrowelt und damit von der Quantenmechanik zur Relativitätstheorie gelungen: Die Wissenschaftler zeigen, dass aus dem Kondensat dieser Elementarzellen der Raum entsteht und sich zu einem Universum entwickelt, das unserem ähnelt.
Die bisherige Lösung von Oriti und seinen Kollegen gilt nur für ein homogenes Universum. Unsere reale Welt ist aber wesentlich komplizierter. Sie enthält Inhomogenitäten, wie Planeten, Sterne und Galaxien. Derzeit sind die Physiker dabei, diese in ihre Theorie mit einzubeziehen. Als Fernziel haben wollen sie untersuchen, ob sich der Raum sogar im Urknall beschreiben lässt. Vor einigen Jahren fand Martin Bojowald im Rahmen einer vereinfachten Version der Schleifen-Quantengravitation Hinweise darauf, wie sich Zeit und Raum eventuell durch den Urknall hindurch zurückverfolgen lassen. Oriti und Kollegen hoffen, dieses Ergebnis mit ihrer Theorie bestätigen oder verbessern zu können.
AEI / AH