26.01.2016

Mit Superzoom ans schwarze Loch

Verbund von Radioteleskopen auf der Erde und im All liefert Bild von BL Lacertae mit Rekord-Winkelauflösung.

Im Zentrum der 900 Millionen Lichtjahren entfernten aktiven Galaxie BL Lacertae lauert ein schwarzes Loch, das aus seiner unmittelbaren Umgebung Radiostrahlung aussendet. Ihr galt jetzt die Beobachtung eines Verbunds aus mehreren Teleskopen: Das Weltraum­observatorium Spektr-R war ebenso dabei wie die 100-Meter-Antenne Effelsberg sowie 14 weitere über die ganze Erde verteilte Teleskope. Dabei haben Forscher alle gemessenen Signale an einem Spezialrechner (Korrelator) im Bonner Max-Planck-Institut für Radio­astronomie miteinander verbunden. Auf diese Weise entstand ein virtuelles Teleskop von achtfachem Erddurch­messer – und das bisher schärfste Bild in der Astronomie.

Abb.: Radiobild von BL Lac bei 1,3 Zentimeter Wellenlänge. Die elliptische Umlaufbahn des Weltraum-Radioteleskops führt zu einer ausgeprägten Richtungsabhängigkeit der Winkelauflösung, durch die im Bild dargestellte Strukturen sehr stark elliptisch auseinandergezogen erscheinen..(Bild: J. L. Gomez et al. / Astrophys J.)

Seit 1974 werden im Zuge der „Very Long Baseline Interferometrie” (VLBI) gleichzeitig mit unterschiedlichen über die ganze Erde verteilten Radio­teleskopen gemessene Signale von Himmels­objekten miteinander kombiniert. Dadurch erhält man ein virtuelles Radioteleskop von der Größe des maximalen Abstands zwischen den beteiligten Einzel­teleskopen und kann so eine bisher unerreichte Schärfe in den resultierenden Radiobildern erzeugen, die sogar die Winkel­auflösung des Weltraumteleskops „Hubble“ im sichtbaren Licht um mehr als das 1000fache übertrifft.

Ein internationales Forschungsteam hat nun durch die Verbindung von 15 bodengebundenen Radio­teleskopen mit dem 10-Meter-Weltraum­teleskop Spektr-R der vom „Astro Space Center“ in Moskau geleiteten RadioAstron-Mission alle Rekorde gebrochen. Durch die Teilnahme des 100-Meter-Radio­teleskops Effelsberg mit seiner großen Sammelfläche wird das Projekt außerordentlich empfindlich für den Nachweis von extrem schwacher kosmischer Radiostrahlung. Die spezielle Analyse zur Verbindung der Radiomessungen von einzelnen Teleskopen zu einem virtuellen Riesenteleskop wurde dabei am Korrelator des Max-Planck-Instituts für Radioastronomie in Bonn durchgeführt.

Die Untersuchung von BL Lacertae (BL Lac) führt zu neuen Erkenntnissen über die Natur von aktiven Galaxien, bei denen ein extrem massereiches Schwarzes Loch im Zentrum Materie verschluckt. Im Zuge dieses Vorgangs werden hochenergetische Teilchen entlang von Magnetfeldern bis fast auf Licht­geschwindigkeit beschleunigt und in Form zweier stark gebündelter „Jets“ in entgegen­gesetzten Richtungen hinausgeschossen. Bei entsprechender Geometrie wie bei BL Lac erscheint die Strahlung des Jets zum Beobachter hin viel heller, während die des entgegen­gesetzten Jets oft unter der Nachweisgrenze liegt. BL Lac liegt in Richtung des Sternbilds „Lacerta“ (die Eidechse) in einer Entfernung von rund 900 Millionen Lichtjahren.

Abb.: RadioAstron-Bild von BL Lac im Vergleich zur Oortschen Kometenwolke und zum nächsten Nachbarstern, Alpha Centauri, gesehen aus 900 Millionen Lichtjahren Entfernung. (Bild: MPIfR / A. Lobanov)

Die meisten aktiven Galaxien mit ausgeprägten Jets liegen in Entfernungen von mehreren Milliarden Lichtjahren, so dass die Jets eine extrem geringe Ausdehnung am Himmel zeigen. Daher werden Messungen mit höchster Winkel­auflösung erforderlich, um die Jets im Detail zu erfassen und Phänomene wie Stoßwellen oder Turbulenz zu untersuchen, von denen es abhängt, wieviel Strahlung dabei jeweils freigesetzt wird. „Die erstmalige Verbindung von bodengebundenen Radioteleskopen mit dem Weltraum­teleskop des RadioAstron-Projekts bei höchster Winkelauflösung hat es uns möglich gemacht, mit einem virtuellen Radioteleskop von achtfachem Erddurchmesser eine Winkel­auflösung von nur etwa 20 Mikro-Bogensekunden zu erreichen“, sagt José L. Gómez vom Instituto de Astrofísica de Andalucía-CSIC, der Leiter des Forschungsteams.

Von der Erde aus gesehen, entsprechen 20 Mikro-Bogen­sekunden der Größe einer Zwei-Euro-Münze auf dem Mond. Mit derart hoher Winkel­auflösung lässt sich die Kernregion von BL Lac in vorher nicht erreichter Genauigkeit untersuchen. Das Zentralobjekt dieser Galaxie ist ein super­masse­reiches Schwarzes Loch mit 200 Millionen mal der Masse unserer Sonne.

Die Kernregionen aktiver Galaxien stellen die energie­reichsten Objekte überhaupt im Kosmos dar, angetrieben jeweils durch ein extrem massereiches Schwarzes Loch im Zentrum. „Die vorher nicht erreichte Winkelauflösung, die uns RadioAstron liefert, ermöglicht einen einzig­artigen Blick in die innerste Region der Galaxien, wo der größte Teil der Energie erzeugt wird“, bemerkt Yuri Kovalev vom „Astro Space Center“, Projekt­wissenschaftler für RadioAstron und ebenfalls Mitglied des BL-Lac-Forschungs­teams.

Die gängigen Modellannahmen für AGN besagen, dass aufgrund der Rotation des zentralen Schwarzen Lochs und der umgebenden Akkretions­­scheibe magnetische Feldlinien spiralförmig verbogen werden. Ein derart „aufgerolltes“ Magnetfeld begrenzt einen Jet zu einem sehr engen Strahl und beschleunigt die Bewegung der darin enthaltenen Teilchen. Ein solches Modell wird durch die neuen Beobachtungen von BL Lac bestätigt; sie zeigen ein ausgedehntes spiralförmiges Magnetfeld in einem der Jets.

Das mit RadioAstron erhaltene Bild zeigt auch eine ungewöhnlich hohe Intensität der beobachteten Strahlung am oberen Ende des Jets von BL Lac, wie es so noch in keinem anderen AGN beobachtet werden konnte. Das bringt die beteiligten Forscher zu der Frage, ob lange bewährte Annahmen darüber, wie die Radio­strahlung in den Jets erzeugt wird, überhaupt noch gültig sind.

„In BL Lac blicken wir sozusagen in die heißeste bisher entdeckte kosmische Feuerstelle, in der Materie extrem effektiv in Energie umgesetzt wird. Es wären Temperaturen von weit mehr als einer Billion Grad erforderlich, wenn wir das hier auf der Erde nachmachen wollten“, sagt der ebenfalls am Forschungsprojekt beteiligte Andrei Lobanov vom Max-Planck-Institut für Radio­astronomie.

„Unser aktuelles Verständnis darüber, wie Strahlung in den Zentren aktiver Galaxien erzeugt wird, liefert einen eindeutigen Grenzwert für die Stärke des Radiosignals, das über einen längeren Zeitraum in der Kernregion erzeugt werden kann. Die extrem hohe Intensität des in BL Lac beobachteten Signals überschreitet diesen Grenzwert. Entweder sind die Geschwindigkeiten im Jet noch viel näher an der Licht­geschwindigkeit, als bisher von uns angenommen, oder wir kommen nicht umhin, unsere theoretischen Modelle zu ändern“, schließt José L. Gómez.

MPIfR / DE

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