Mobile Ionen
Überraschende Vorgänge in memristiven Speicherzellen beobachtet.
Memristive Speicherzellen, kurz ReRAM, gelten als Superspeicher der Zukunft. Aktuell verfolgen Entwickler zwei Grundkonzepte, die bisher mit unterschiedlichen Arten von aktiven Ionen – entweder negativ oder positiv geladen – in Verbindung gebracht wurden. Doch das ist nicht ganz richtig, wie ein internationales Team unter Beteiligung des Forschungszentrums Jülich überraschend festgestellt hat. Denn in Valenzwechsel-Zellen, kurz VCM, sind neben negativ geladenen Sauerstoff-Ionen – genau wie in ECM, elektrochemischen Metallisierungszellen – auch positiv geladene Metall-Ionen aktiv. Der Effekt ermöglicht es, die Schalteigenschaften gezielt anzupassen und die beiden Konzepte ineinander zu überführen, wie die Forscher.
Abb.: Blick in den Oxid-Cluster am FZ Jülich, in dem resistive und andere Materialschichten im Ultrahochvakuum hergestellt und untersucht werden. (Bild: FZ Jülich)
ReRAM-Zellen zeichnen sich durch eine besondere Eigenschaft aus: Ihr elektrischer Widerstand lässt sich durch das Anlegen einer elektrischen Spannung verändern. Dadurch verhalten sich die Zellen ähnlich wie ein magnetisches Material, das magnetisiert und wieder entmagnetisiert wird. Auf diese Weise lassen sich digitale Informationen speichern. Die wesentlichen Vorteile solcher ReRAMs: Sie lassen sich sehr schnell schalten, verbrauchen wenig Energie und sie behalten ihren Zustand auch dann eine lange Zeit bei, wenn keine äußere Spannung mehr anliegt. Die memristiven Eigenschaften von ReRAMs beruhen auf mobilen Ionen. Sie bewegen sich zwischen zwei Elektroden in einer nur wenige Nanometer dicken Metalloxidschicht hin und her.
Lange Zeit dachte die Forschung, dass sich VCMs und ECMs in ihrer Funktionsweise deutlich unterscheiden. Bei ECMs wird der On- beziehungsweise Off-Zustand erreicht, indem sich metallische Ionen bewegen und faserartige Filamente bilden. Das passiert, in dem eine elektrische Spannung angelegt wird. Dadurch wächst ein solches Filament zwischen den beiden Elektroden der Zelle. Die Zelle wird praktisch kurzgeschlossen – der Widerstand sinkt schlagartig. Durch die gezielte Steuerung des Vorgangs lassen sich dann die Informationen speichern. Die Schalteigenschaften von VCMs wurden dagegen in erster Linie mit der Verschiebung von Sauerstoff-Ionen in Verbindung gebracht. Im Gegensatz zu den Metall-Ionen sind sie negativ geladen. Durch das Anlegen einer Spannung bewegen sich die Ionen aus einer sauerstoffhaltigen Metallverbindung heraus. Das Material wird schlagartig leitfähiger. Auch hier geht es darum, diesen Prozess gezielt zu steuern.
Doch es gibt einen unerwarteten zweiten Schaltprozess: Auch in VCMs tragen Metall-Ionen zu der Filamentbildung bei. Der Vorgang wurde erst sichtbar, als die Wissenschaftler die Bewegung der Sauerstoff-Ionen unterdrückten. Dazu modifizierten sie die Oberflächen, indem sie eine dünne Kohlenstoff-Schicht direkt über dem Elektrodenmaterial anbrachten. In einem Fall verwendeten sie dafür das auch Graphen, das nur aus einer einzigen Lage Kohlenstoff besteht. „Graphen soll den Transport von Sauerstoff-Ionen durch die Phasengrenze unterdrücken und die Reaktionen von Sauerstoff bremsen“, erläutert Ilia Valov vom Peter-Grünberg-Institut des FZ Jülich. „Wir konnten plötzlich eine Schaltcharakteristik beobachten, die der einer ECM-Zelle gleicht und gehen daher davon aus, dass auch in VCMs bewegliche Metall-Ionen aktiv sind. Dies wurde durch zusätzliche Experimenten mit Rastertunnelmikroskop und Diffusionsexperimente bestätigt. Offensichtlich unterstützen die Metall-Ionen den Schaltprozess zusätzlich.“
Der Einbau einer derartigen Zwischenschicht aus Kohlenstoff würde es erlauben, bei VCMs vom einen zum anderen Schaltprozess zu wechseln. Daraus würden sich neue Möglichkeiten ergeben, ReRAMs zu konstruieren. „Je nach Anwendung kann man sich unsere Erkenntnisse zunutze machen, indem der Effekt bewusst verstärkt oder gezielt unterdrückt wird“, do Valov. Die Ergebnisse der Wissenschaftler werfen jedoch auch Fragen auf: „Die bisherigen Modelle und Untersuchungen müssen auf Grundlage dieser Erkenntnisse nochmal überarbeitet und angepasst werden.“ Weitere Tests sollen zudem klären, wie sich neuartige Bauelemente, die auf den Erkenntnissen aufbauen, in der Praxis verhalten.
FZJ / RK