Neue Entspiegelungen dank Nanostrukturierung
Sub-Wellenlängenstrukturen sorgen für graduellen Übergang der Brechzahlen.
Optische Komponenten begleiten uns in nahezu allen Alltagsanwendungen – von Handykameras über Abstandssensoren in Autos bis hin zu Objektiven für hochauflösende Kameras. Doch ohne Entspiegelung gehen an jeder Grenzfläche einer optischen Komponente mehrere Prozent des Lichtes verloren. Deshalb sind heute insbesondere Systeme aus mehreren Linsen wie z.B. in Fotoapparaten oder Fahrzeugdisplays ohne Antireflex (AR)-Funktion undenkbar. Forschern gelang es nun, erfolgreich eine neue Methode der Entspiegelung mithilfe nanostrukturierter Schichtmaterialien zu entwickeln.
Abb.: Halbseitig entspiegelte Linse. (Bild: Fh-IOF)
Der Markt für optische Komponenten wächst seit Jahren - entsprechend hoch ist deshalb die technische Bedeutung von Entspiegelungen. Diese sind unverzichtbar um geringe Lichtausbeuten, Kontrastverluste bei Abbildungen und „Geisterbilder“ zu vermeiden, welche durch unkontrolliert reflektiertes Licht entstehen. Ein Verbund von Forschern aus Wissenschaft und Wirtschaft, koordiniert von der Carl Zeiss Jena GmbH, hat im Rahmen des kürzlich abgeschlossenen Projekts „Farbneutrale Interferenzschichten zur Entspiegelung unter Berücksichtigung organischer Nanostrukturen“, kurz FIONA, eine Entspiegelungstechnik entwickelt, die einen deutlich breiteren Wellenlängenbereich abdeckt und somit auch stark gekrümmte Linsen entspiegeln kann.
Laut einer aktuellen Studie von Markets&Markets erwirtschaftete der Markt für optische Beschichtungen einen Jahresumsatz von rund 1,02 Mrd. Dollar (2014) und dies bei einer prognostizierten Wachstumsrate von 8,4 Prozent bis zum Jahr 2020. Anhand dieser Zahlen wird deutlich, dass die Entwicklung breitbandiger AR-Beschichtungen für komplex geformte Oberflächen eine immer wichtigere Rolle in der Optikfertigung spielt.
Eine optimale Entspiegelungsschicht besitzt einen kontinuierlichen Brechzahlverlauf zwischen der Oberfläche des Substrates und dem umgebenden Medium Luft. Aus diesem Grund kann eine Entspiegelung verbessert werden, wenn für die letzte Schicht des Interferenzschichtsystems ein sehr niedrigbrechendes Material eingesetzt wird. Nanostrukturen mit einer Strukturgröße kleiner der Lichtwellenlänge wirken auf der Oberfläche wie eine sehr niedrigbrechende Schicht. Konkretes Ziel des Projekts war deshalb die Entwicklung eines Verfahrens zur Entspiegelung mithilfe nanostrukturierter Schichten. Die resultierenden Schichtsysteme zeichnen sich durch neuartige Kombinationen von klassischen Interferenzschichtsystemen mit solchen Nanostrukturen aus. Die sogenannten Sub-Wellenlängenstrukturen mit einer Strukturtiefe von wenigen hundert Nanometern wurden dabei durch verschiedene Verfahren erzeugt. Am Fraunhofer IOF wurde das etablierte Plasmastrukturierungsverfahrens AR-Plas auf neue organischen Schichten angewendet, während die Carl Zeiss Jena GmbH den Schwerpunkt auf anorganische Nanostrukturen aus Siliziumdioxid und Magnesiumfluorid legte.
Die neuentwickelten Schichten sind bezüglich ihrer Funktionalität auf gekrümmten Linsen weltführend. Besonders hervorzuheben ist in diesem Kontext die deutlich erweiterte Winkelakzeptanz der Entspiegelungen, die homogenere Wirkung der AR-Vergütung auf stark gekrümmten Oberflächen sowie die AR-Wirkung über wesentlich breitere Spektralbereiche. Die erzielte Entspiegelungswirkung reicht vom visuellen bis in den infraroten Spektralbereich und erscheint auch bei größerer Krümmung auf Linsen farbneutral. Die in dem Spektralbereich von 400 bis 1500 nm erreichte mittlere Restreflexion kleiner als 0.3% ist mit klassischen Interferenzschichten kaum erreichbar. Untersucht wurde die Methode für eine Vielzahl von Optikkomponenten, wie zum Beispiel optische Linsen für Kameraobjektive, Mikroskope und medizintechnische Geräte. Die verbesserte Entspiegelungswirkung konnte an Demonstratorlinsen der Projektpartner gezeigt werden. Außerdem erzielte ein erstes Testobjektiv mit den neuartig beschichteten Linsen verbesserte optische Eigenschaften.
Gefördert wurden die gut drei Jahre andauernden Forschungs- und Entwicklungsarbeiten vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) innerhalb der Förderinitiative „Innovative Anwendungen der Plasmatechnik“. Am Projekt beteiligt waren die Partner Agfa-Gevaert Health Care GmbH, asphericon GmbH, Carl Zeiss Jena GmbH, Leica Microsystems GmbH, Qioptiq Photonics GmbH & Co. KG und das Fraunhofer Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik.
IOF / LK