Neues Konzept für das Wide Field Spectroscopic Telescope
EU sichert Finanzierung für die Konzeption des für 2040 geplanten Teleskops.
In diesem Monat wurde ein Vertrag zur Finanzierung der Konzeptstudie für ein neues Teleskop, das Wide Field Spectroscopic Telescope (WST), unterzeichnet, das ab 2040 in Chile in Betrieb gehen könnte. Das internationale Konsortium, welches das WST-Projekt leitet, erhält drei Millionen Euro, um in den nächsten drei Jahren, von 2025 bis 2027, eine detaillierte Konzeptstudie zu erstellen. Das WST-Projekt zielt darauf ab, ein Teleskop zu bauen, das spektroskopische Durchmusterungen über ein großes Himmelsfeld ermöglichen wird und diverse astronomische Objekte beobachten kann – von fernen Galaxien bis hin zu Asteroiden und Kometen in unserem Sonnensystem.
Das Projekt wurde als Teil des Horizon Europe Rahmenprogramms der Europäischen Union im Rahmen einer Ausschreibung für Forschungsinfrastrukturen ausgewählt. Das internationale Konsortium plant das WST als nächste große Beobachtungsinfrastruktur der Europäischen Südsternwarte (ESO) nach der Fertigstellung des Extremely Large Telescope (ELT), das derzeit gebaut wird. Das Konsortium umfasst 19 Forschungseinrichtungen aus ganz Europa und Australien, einschließlich dem Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam (AIP), mit einem wissenschaftlichen Team von mehr als sechshundert Mitgliedern aus 32 Ländern auf allen fünf Kontinenten.
Das WST soll eine kritische Lücke schließen: ein Großteleskop, welches ausschließlich für die spektroskopische Beobachtung von Himmelsobjekten bestimmt ist. Der Bedarf an einer solchen Beobachtungsinfrastruktur wird in zahlreichen strategischen internationalen Forschungsplänen, die die wichtigsten Prioritäten für die astrophysikalische Forschung im kommenden Jahrzehnt umreißen, ausdrücklich genannt, so auch in der European Astronet Roadmap 2023. Trotz des Baus von bodengestützten Teleskopen mit 30- bis 40-Meter-Spiegeln gibt es keine bestehenden oder geplanten Einrichtungen mit den einzigartigen Eigenschaften des WST, nämlich einem Hauptspiegel mit zwölf Metern Durchmesser, dem gleichzeitigen Betrieb eines Multi-Objekt-Spektrographen (MOS), der ein großes Gesichtsfeld mit hohen Multiplex-Fähigkeiten – 20.000 Objekte pro Aufnahme – abdecken kann, sowie einem Panorama-Integralfeld-Spektrographen (IFS), der eine scheinbare Himmelsfläche von neun Quadratbogenminuten lückenlos erfasst.
„Diese Spezifikationen sind sehr ehrgeizig und stellen das WST-Projekt über die bestehenden und geplanten bodengestützten Beobachtungsinfrastrukturen. In nur fünf Jahren könnten mit dem MOS Spektren von 250 Millionen Galaxien und 25 Millionen Sternen mit niedriger spektraler Auflösung sowie von mehr als zwei Millionen Sternen mit hoher Auflösung erfasst werden, während das IFS 4 Milliarden Spektren liefern würde, die es den Forschenden ermöglichen würden, diese Quellen vollständig zu charakterisieren“, sagt Roland Bacon.
Matthias Steinmetz, wissenschaftlicher Vorstand des AIP, sagt: „Das WST wird die mit RAVE, MUSE und 4MOST am AIP begonnenen Arbeiten im Bereich umfassender spektroskopischer Himmelsdurchmusterungen sowohl technisch als auch in der astrophysikalischen Anwendung auf die nächste Ebene heben. Es wird uns ermöglichen, einen weitaus systematischeren und tieferen Blick in den Kosmos zu werfen.“ Gegen Ende der Konzeptstudie wird die Eso ein Auswahlverfahren starten, um die innovativsten und wissenschaftlich vielversprechendsten Projekte zu bewerten. Im Falle einer Genehmigung würde das WST die nächste Großanlage der Eso werden, die in den 2040er Jahren bahnbrechende astrophysikalische Fragen beantworten könnte.
AIP / JOL