15.02.2024

Obertöne in supraleitenden Quantenbits

Josephson-Kontakte verhalten sich komplexer als bisher angenommen.

Physikerinnen und Physiker des Forschungs­zentrums Jülich und des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) haben herausgefunden, dass sich Josephson-Kontakte – die grundlegenden Bausteine supraleitender Quanten­computer – komplexer verhalten als angenommen. Die einfache Grund­schwingung wird – wie bei einem Musikinstrument – von Obertönen überlagert. Entsprechende Korrekturen können um den Faktor 2 bis 7 stabilere Quantenbits ermöglichen. Um ihre Erkenntnisse zu untermauern, haben die Forschenden experi­mentelle Nachweise aus mehreren Labors weltweit zusammen­getragen, darunter die Universität zu Köln, die Ecole Normale Supérieure in Paris und IBM Quantum in New York.

Abb.: Kryogener Mikrowellenaufbau, der für Messungen an Quantenanordnungen...
Abb.: Kryogener Mikrowellenaufbau, der für Messungen an Quantenanordnungen verwendet wird.
Quelle: Qinu GmbH, qinu.de

Alles begann im Jahr 2019. Die damaligen Doktoranden Dennis Willsch und Dennis Rieger hatten Schwierigkeiten, ihre Experimente mit dem Standardmodell für Josephson-Kontakte in Über­einstimmung zu bringen. Dieses Modell hatte Brian Josephson 1973 den Nobelpreis für Physik eingebracht. Um der Sache auf den Grund zu gehen, untersuchte das Team um Ioan Pop am KIT weitere Daten der Ecole Normale Supérieure in Paris sowie eines 27-Qubit-Geräts bei IBM Quantum in New York, zusätzlich zu Daten aus bereits veröffent­lichten Experimenten. Unabhängig davon beobachteten Forschende der Universität zu Köln ähnliche Abweichungen vom Standard­modell.

„Gianluigi Catelani, der an beiden Projekten beteiligt war, erkannte die Über­schneidungen und brachte die beiden Forschungs­teams glücklicher­weise zusammen“, erinnert sich Dennis Willsch vom Forschungszentrum Jülich. „Das Timing war perfekt“, fügt Chris Dickel von der Universität Köln hinzu, „wir haben damals ganz unter­schiedliche Konsequenzen des gleichen Grundproblems erforscht.“ Josephson-Kontakte bestehen aus zwei Supraleitern, die durch eine dünne isolierende Schicht voneinander getrennt sind. Seit Jahrzehnten werden diese Schaltungs­elemente mit einem einfachen Modell beschrieben, das auf eine simple Sinuskurve hinausläuft.

Dieses „Standardmodell“ beschreibt die Josephson-Kontakte, die zum Bau von Quantenbits verwendet werden, allerdings nicht vollständig, wie die Forschenden nun gezeigt haben. Stattdessen ist ein erwei­tertes Modell mit höheren Harmonischen erfor­derlich, um den Tunnelstrom zwischen den beiden Supraleitern korrekt abzubilden. „Es ist schon faszinierend, dass in unserem Forschungsfeld mittler­weile so präzise Messungen möglich sind, dass sich damit diese kleinen Korrekturen auflösen lassen. Das vereinfachte, bisherige Modell wurde mehr als 15 Jahre lang als ausreichend angesehen“, bemerkt Dennis Rieger.

Als Ioan Pop vom KIT und Gianluigi Catelani, Kristel Michielsen und David DiVincenzo vom Forschungszentrum Jülich die Bedeutung der Ergebnisse erkannten, brachten sie eine große Gruppe von Experimental­physikern, Theoretikern und Material­wissenschaftlern zusammen, um gemeinsam über­zeugende Argumente für das erweiterte Modell zu sammeln. Nun beschreiben die Forschenden den Ursprung und Auswirkungen der Josephson-Ober­schwingungen. „Als unmittelbare Konsequenz glauben wir, dass die Josephson-Ober­schwingungen helfen werden, die Fehler von Quantenbits um bis zu eine Größen­ordnung zu verringern, was uns dem Traum eines universellen, supra­leitenden Quanten­computers einen Schritt näherbringt“, fassen Willsch und Rieger zusammen.

FZJ / KIT / JOL

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