Physik der Finanzmärkte
Ein neuartiges Modell vereint vermeintlich widersprüchliche Ansichten zur Entstehung von extremen Preisschwankungen.
Extreme Kursschwankungen kommen an Finanzmärkten ständig vor, kosten Anleger viel Geld und schaden der Wirtschaft. Beispiele hierfür sind der „Schwarze Montag“ 1987 oder sogenannte „Flash-Crashes“, bei denen Preise innerhalb von Minuten heftig einbrechen, um anschließend wieder nach oben zu schnellen. Solche Ereignisse treten viel öfter auf, als durch Nachrichten über die gehandelten Güter erklärt werden kann.
Diese Beobachtung scheint im Widerspruch zur klassischen Vorstellung zu stehen, dass Märkte vernünftig und effizient seien. Dahinter steckt die Idee, Märkte „absorbierten“ im Wesentlichen von außen kommende Informationen und fänden so schnellstmöglich stabile und faire Preisgleichgewichte. Die Forscher begründeten die beobachteten Preisschwankungen deshalb alternativ durch komplexe Interaktionen vieler, teilweise irrational agierender Händler, bei denen es zu Herdenverhalten kommt. Zunächst erläutern sie, dass auch Marktmodelle mit vielen, individuell nicht rationalen Händlern sehr effizient sein können. Durch Umverteilen von Kapital lernt ein solcher Markt ähnlich den neuronalen Netzen im Gehirn Preisänderungen vorherzusagen.
Wenn nun die Information nicht nur allein von außen kommt, sondern auch die Preisentwicklung berücksichtigt wird, passiert etwas Unerwartetes. In einem solchen hochgradig spekulativen Markt versuchen die Händler nicht nur äußere Entwicklungen vorherzusagen, sondern auch das Verhalten der anderen Händler. Letztendlich sind es die Entscheidungen der anderen Marktteilnehmer die bestimmen, zu welchem Preis zukünftig gehandelt wird. Also spekulieren die Händler gegeneinander.
Wenn nun der Markt ihre Strategien effizient ausbalanciert hat, hören sie dennoch nicht auf, nach gewinnversprechenden Trends und Mustern zu suchen. Patzelt und Pawelzik verdeutlichen nun, dass an diesem Punkt gerade ein besonders effizienter Markt sehr anfällig dafür wird, auf kleine Überraschungen mit extremen Preisänderungen zu reagieren. Bereits mit diesem einfachen Modell lassen sich typische Verteilungen extremer Preisschwankungen in vielen Einzelheiten erklären.
Die jetzt erschienene Arbeit könnte eine wichtige Brücke zwischen den oben beschriebenen gegensätzlichen Forschungsansätzen schlagen. Dadurch könnte sie eines Tages auch mit dazu beitragen, extreme Preisschwankungen zu vermeiden.
Die Autoren untersuchen Zurzeit auch die Verbindung ihrer Theorie zur Entstehung von Preisblasen. Hierfür haben sie unter anderem ein psychologisches Massenexperiment entwickelt und als einfaches und unterhaltsames Spiel einer interessierten Öffentlichkeit zu Verfügung gestellt.
U. Bremen / PH