Progress-Frachter beim Start zur ISS abgestürzt
ISS-Frachtflüge und Besatzungswechsel dürften durcheinander geraten – Versorgungslage sei vorerst unkritisch.
Der Start des Progress-Frachters 44 erfolgte planmäßig um 15 Uhr vom Kosmodrom Baikonur aus. Nach Angaben von Maxim Matuchen, dem Chef des russischen Missionskontrollzentrums, versagte die dritte Stufe der Sojus-U-Rakete nach 320 Sekunden Flugdauer. Daraufhin riss der Funkkontakt ab und es erfolgte keine Trennung von Oberstufe und dem mit etwa drei Tonnen Versorgungsgütern beladenen Frachter. Das Ensemble fiel daraufhin zu Erde zurück und schlug in der russischen Teilrepublik Altai auf, nahe der Ortschaft Karakokscha.
Abb.: Progress-37 beim Andockmanöver mit der Internationalen Raumstation. (Bild: Nasa)
Die Wucht der Explosion sei noch in mehr als hundert Kilometern Entfernung zu spüren gewesen, Menschen kamen jedoch wohl nicht zu schaden. Einem Bericht von Ria-Nowosti zufolge haben die Bergungskräfte mehr als 18 Stunden nach dem Fehlstart noch keine Wrackteile finden können. Die Behörden befürchten jedoch die Belastung der Flüsse Katun und Bija mit giftigem Raketentreibstoff.
Wie der Nasa-Programmanager für die ISS, Michael Suffredini, auf einer Pressekonferenz erklärte, könnte der Absturz die geplante Folge der nächsten Flüge durcheinander bringen. Auch die Sojus-FG-Raketen, mit denen nach dem Ende der Shuttleflüge alle Astronauten zur ISS fliegen, würden genau überprüft. Zwar gebe es Unterschiede zu den Progress-Versionen, aber gerade die dritte Stufe habe die meisten Gemeinsamkeiten. Eine Möglichkeit bestünde darin, den nächsten Crew-Wechsel zu verschieben und die gegenwärtige sechsköpfige Besatzung länger auf der Station zu belassen. Die Versorgungslage sei vorerst unkritisch, auch sei genug Treibstoff für das Anheben des Orbits an Bord.
Abgesehen von den größeren europäischen und japanischen Frachter, die allerdings jeweils nur im Jahrestakt starten, sind die ISS-Betreibernationen auf die russischen Starts angewiesen. Zwar sind kommerzielle amerikanische Flüge in Vorbereitung, SpaceX muss jedoch als am weitesten fortgeschrittener Anbieter Ende November zunächst einen ersten Testflug zur Station absolvieren.
Zwar konnte die russische Raumfahrt mit dem erfolgreichen Start des Radio-Weltraumteleskops Spektr-R im vergangenen Monat einen Erfolg feiern, insgesamt ist der erste Progress-Verlust in dreißig Jahren jedoch Teil einer immer länger werdenden Pannenserie. So musste der Sonnenforschungssatellit Koronas-Foton abgeschrieben werden, weil er sich nicht mehr positionieren ließ, und nach Starts mit Proton-Rakaten erreichten zahlreiche Kommunikations-, Militär- und Glonass-Satelliten für das GPS-ähnliche Navigationssystem nicht ihre vorgesehenen Umlaufbahnen.
Oliver Dreissigacker