Protoplanet in Farbe
Jüngste Ergebnisse der Dawn-Mission belegen, dass der Asteroid Vesta das einzige große bekannte Überbleibsel aus einer frühen Phase der Planetenentstehung ist.
Die Kameras der NASA-Raumsonde Dawn helfen die Geheimnisse des Asteroiden Vesta zu lüften. Die Farbbilder bestätigen nun: Vesta ist ein Relikt aus der Frühzeit des Sonnensystems. Denn der überraschend heterogene Himmelskörper ähnelt mehr einem Planeten als einem primitiven Asteroiden. Zudem beweisen jüngste Studien, dass die meisten HED-Meteoriten – eine spezielle Gruppe von Meteoriten – tatsächlich Bruchstücke der Vesta sind.
Abb.: Falschfarbenbild des Südpols von Vesta, das aus mehreren Aufnahmen zusammengesetzt wurde. Rechts: Die entsprechende topographische Karte. (Bild: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA)
Seit dem Sommer 2011 umkreisen zwei Kameras an Bord der Raumsonde Dawn den Asteroiden Vesta – eine, die derzeit in Betrieb ist, und eine Ersatzkamera. Mit diesem Kamerasystem, das Wissenschaftler unter Leitung des Max-Planck-Instituts für Sonnensystemforschung (MPS) entwickelt und gebaut haben, versorgt die NASA-Sonde die Planetenforscher mit Bilddaten des zuvor fast unerforschten Asteroiden. Die „Framing Cameras“ sind mit sieben verschiedenen Farbfiltern und einem Klar-Filter ausgestattet. Sie können weit mehr als eine „normale“ Kamera: Mit den Farbfiltern lässt sich die genaue Zusammensetzung des von Vesta reflektierten Lichts entschlüsseln. So können die Wissenschaftler die Oberfläche ihres Studienobjekts kartographieren und auf dessen mineralogische Zusammensetzung rückschließen.
Nach zehn Monaten akribischer Beobachtungen sind sich die Planetenforscher nun sicher, dass der Himmelskörper anders ist als alle zuvor untersuchten Asteroiden: Vesta ist eine Art lebendes Fossil der Urzeit der Planetenentstehung. Schon der Durchmesser sticht hervor, mit 525 Kilometern ist Vesta der drittgrößte Asteroid überhaupt. „Vesta ist ein Protoplanet“, erklärt der wissenschaftliche Leiter des Kamerateams, Andreas Nathues, „und befindet sich somit in einem urtümlichen Entwicklungsstadium, aus dem sich einst die großen Planeten, beispielsweise die Erde und der Mars, gebildet haben. Wahrscheinlich ist Vesta das letzte Exemplar dieser Spezies von Himmelskörpern.“ Auch die Messungen der anderen Bordinstrumente stützen diese Interpretation.
Bislang war Vesta nur aus großer Distanz fotografiert worden, die Beobachtungen mit den in der Umlaufbahn kreisenden Framing Cameras erbrachten nun Überraschendes: „Niemand hatte die großen Helligkeitsunterschiede auf Vestas Oberfläche erwartet“, erläutert Forscherin Lucille Le Corre vom MPS. „Während die hellsten Stellen Vestas das Sonnenlicht so stark reflektieren wie etwa Schnee, ist die Reflektivität der dunklen Gebiete mit der von Kohle vergleichbar. Kein bislang von einer Raumsonde besuchter Asteroid zeigt eine solche Helligkeitsvariation.“
Auffällig ist der starke Unterschied zwischen der nördlichen und der südlichen Halbkugel des Asteroiden. Das zeigt sich auch in den verschiedenen Farben, welche die Wissenschaftler auf Vestas Oberfläche festgestellt haben. Insbesondere sind die Farbunterschiede interessant, welche das Vorkommen von Gesteinen widerspiegeln, die Planetenforscher aus dem Studium einer speziellen Meteoriten-Gruppe kennen; es handelt sich um die „HED-Meteoriten“. Das Kürzel steht für Howardite, Eucrite und Diogenite. Bereits vor der Mission standen diese Himmelssteine unter Verdacht, Bruchstücke von Vesta zu sein, denn die Reflektionsspektren der HED-Meteorite ähneln stark denjenigen von Vesta. Ein wichtiges Ziel der Dawn-Sonde war deshalb, weitere Belege für die Verknüpfung zwischen Vesta und den HED-Meteoriten zu finden.
Eukrite sind erstarrte Krustengesteine, ähnlich irdischem Basalt, aber viel heller; Diogenite stammen hingegen aus größeren Tiefen der Kruste. Die Howardite sind schließlich Mischungen beider Gesteinstypen, sie entstanden bei Einschlägen. „Die Bilder unser Framing Cameras zeigen nun ausgeprägte Farbunterschiede zwischen Regionen mit Gestein, das aus dem Innern von Vesta stammt und solchen, die eher von Krustengestein geprägt sind“, sagt Andreas Nathues. „So konnten wir zusammen mit den Beobachtungen anderer Dawn-Instrumente den Ursprungsort der HED-Meteoriten klären. Es ist tatsächlich Vesta.“
Die neuen Daten haben zudem aufgedeckt, dass bei Vesta Farbe und Topografie nicht generell korreliert sind. Dies ist etwa beim Mond der Fall: Dunkle Gebiete entsprechen dort den Mondtälern, helle Gebiete kennzeichnen die Höhenzüge. Auf Vesta trifft dieser Zusammenhang nicht zu.
Die Dawn-Sonde wird Vesta noch bis Ende August 2012 umkreisen und dann ihr zweites Ziel ansteuern, den Zwergplaneten Ceres. Die Mission startete im September 2007 in Richtung Vesta und schwenkte am 16. Juli 2011 in eine Umlaufbahn um den Asteroiden ein. Der Zwergplanet Ceres ist der größte Asteroid, der zwischen Mars und Jupiter die Sonne umkreist.
TD/MPG / PH