08.04.2015

Protoplanetare Scheibe als Molekülquelle

ALMA-Beobachtungen zeigen große Menge an organischen Verbindungen in jungem Sternensystem.

Neue Beobachtungen mit ALMA (Atacama Large Millimeter/submillimeter Array) lassen erkennen, dass die protoplanetare Scheibe, die den jungen Stern MWC 480 umgibt, große Mengen Methylcyanid (CH3CN) enthält, ein komplexes kohlenstoffbasiertes Molekül. Um MWC 480 ist genug Metylcyanid vorhanden, um alle Ozeane auf der Erde damit zu füllen. Sowohl dieses Molekül als auch sein einfacherer Verwandter Cyanwasserstoff (HCN) hat man in den kalten Außenbereichen der neugeformten Scheibe des Sterns gefunden, in einer Region, von der Astronomen glauben, dass sie dem Kuipergürtel ähnelt – dem Bereich in unserem eigenen Sonnensystem jenseits von Neptun, der voller Planetesimale und Kometen ist.

Abb.: Künstlerische Darstellung der protoplanetaren Scheibe um den jungen Stern MWC 480 (Bild: B. Saxton, NRAO / AUI / NSF)

Kometen konservieren die Phase der Planeten­entstehung, da sie die frühe Chemie des Sonnensystems wiedergeben. Man geht davon aus, dass die Kometen und Asteroiden aus den Außen­bereichen des Sonnen­systems Wasser und organische Moleküle auf die Erde brachten und damit die Voraussetzung für die Entwicklung von primitivem Leben schafften.

„Untersuchungen von Kometen und Asteroiden zeigen, dass der solare Urnebel, der die Sonne und Planeten hervorbrachte, reich an Wasser und komplexen organischen Verbindungen war“, erklärt Karin Öberg, Astronomin vom Harvard-Smithsonian Center für Astrophysik in Cambridge (Massachusetts) in den USA. „Wir haben jetzt sogar genauere Beweise dafür, dass diese selben chemischen Eigenschaften auch anderorts im Universum, in Regionen enthält, in denen Stern­systeme entstehen könnten und die unserem Sonnensystem nicht unähnlich wären. Das ist besonders verblüffend, da die Moleküle, die in MWC 480 gefunden wurden, in ähnlicher Konzentration auch in den Kometen in unserem Sonnen­system zu finden sind", merkt Öberg an.

Der Stern MWC 480, der eine Masse hat, die etwa zweimal so groß ist wie die der Sonne, befindet sich 455 Lichtjahre entfernt im Taurus-Stern­entstehungs­gebiet. Seine umgebende Scheibe ist in einer sehr frühen Phasen der Entwicklung – sie ist erst vor kurzem aus einem kalten, dunklen Nebel aus Staub und Gas hervorgegangen. Beobachtungen mit ALMA und anderen Teleskopen müssen noch irgendein offensichtliches Zeichen der Planetenentstehung in ihr nachweisen, obwohl hoch­auflösendere Beobachtungen Strukturen zum Vorschein bringen könnten, die denen von HL Tauri ähnlich sind, der etwa gleich alt ist.

Astronomen wissen bereits seit geraumer Zeit, dass kalte, dunkle, interstellare Wolken sehr effiziente Fabriken für die Bildung von komplexen organischen Moleküle darstellen – einschließlich einer Gruppe von Molekülen, die man Cyanide nennt. Cyanide, und ganz besonders Methyl­cyanid, sind wichtig, da sie Kohlenstoff-Stickstoff-Verbindungen enthalten, die für die Bildung von Aminosäuren unerlässlich sind und als Grundlage für Proteine und die Bausteine des Lebens dienen.

Bis heute ist jedoch noch unklar, ob sich diese komplexen organischen Moleküle tatsächlich in der energiereichen Umgebung eines jeden neu gebildeten Sternsystems bilden können, da Stöße und Strahlung chemische Verbindungen leicht aufbrechen können. Dank ALMAs außer­ordentlicher Empfindlichkeit können Astronomen anhand der neuen Beobachtungen sehen, dass diese Moleküle nicht nur überleben, sondern weiter zunehmen.

Die Moleküle, die ALMA nachgewiesen hat, sind bedeutend reichlicher vorhanden, als wenn man sie in interstellaren Wolken gefunden hätte. Das zeigt Astronomen, dass proto­planetare Scheiben sehr effizient komplexe organische Moleküle bilden und dass sie in der Lage sind, dies innerhalb einer relativ kurzen Zeitspanne zu tun. Die Astronomen nehmen daher an, dass organische Moleküle, die in Kometen und anderen Eiskörpern sicher eingeschlossen werden, auch in andere, lebens­freundlichere Umgebungen transportiert werden können, während sich das System weiterentwickelt.

„Aus den Beobachtungen von Exoplaneten wissen wir, dass das Sonnensystem in seiner Anzahl an Planeten und Reich­haltigkeit an Wasser nicht einzigartig ist“, schließt Öberg ab. „Jetzt wissen wir, dass wir mit unseren organischen Eigenschaften nicht einzigartig sind. Ein weiteres Mal haben wir gelernt, dass wir nicht besonders sind. Aus Sicht des Lebens im Universum sind das tolle Neuigkeiten.“

ESO / DE

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