Punktlandung im Atomgitter
Kombination mehrerer Methoden erlaubt exakte Lokalisation von Einzelatomen in ultradünnen Materialien.
Einem Forschungsteam der Universität Wien und der TU Wien ist es gelungen, einzelne Platinatome gezielt in ein ultradünnes Material einzubauen – und erstmals mit atomarer Präzision nachzuweisen, welchen Platz im Gitter sie einnehmen. Möglich wurde das durch eine neu entwickelte Methodenkombination aus Defekterzeugung im Trägermaterial, kontrolliertem Einbau einzelner Platinatome und einem besonders kontrastreichen Elektronenbild-Verfahren, der Ptychographie. Diese Arbeit liefert neue Ansätze für gezielte Materialmodifikation.

Damit Materialien für Anwendungen wie Katalyse oder den Nachweis bestimmter Gase besonders leistungsfähig werden, müssen sie maßgeschneidert auf atomarer Ebene verändert werden. Entscheidend sind dabei aktive Zentren – winzige Stellen auf der Materialoberfläche, an denen chemische Reaktionen ablaufen oder Gasmoleküle gezielt andocken können. Besonders wirkungsvoll sind solche Zentren, wenn sie aus einzelnen Metallatomen – wie etwa Platin – bestehen. In der aktuellen Studie war es daher das Ziel, diese Art von Materialien herzustellen und zugleich ihre Struktur auf atomarer Ebene sichtbar zu machen.
ls Trägermaterial fungierte dabei Molybdändisulfid (MoS2), ein ultradünner Halbleiter, der sich durch seine gute Modifizierbarkeit auszeichnet. Um Platz für neue aktive Zentren zu schaffen, erzeugte das Forschungsteam durch Heliumionen-Beschuss mikroskopisch kleine Defekte in der MoS₂-Oberfläche und besetzte diese anschließend durch einzelne Platinatome. Mit diesem kontrollierten Austausch von Atomen im Gitter können die Eigenschaften von Materialien gezielt verändert werden.
Was bislang allerdings fehlte, war der präzise Nachweis, wo genau im Atomgitter die eingebrachten Fremdatome sitzen, denn mit klassischer Elektronenmikroskopie lassen sich verschiedene Defekttypen – etwa einfache oder doppelte Schwefellücken – aufgrund des zu geringen Kontrastes kaum unterscheiden. Die Forschenden setzten daher auf die Single-Sideband-Ptychographie (SSB), eine hochmoderne Bildgebungsmethode, die auf der Auswertung von Elektronenbeugungsmustern basiert. David Lamprecht erklärt: „Mit unserer Kombination aus Defect-Engineering, Dotierung und Ptychographie ist es uns gelungen, auch feine Unterschiede im Atomgitter sichtbar machen – und eindeutig zu belegen, ob ein Platinatom tatsächlich in eine Lücke eingebaut wurde oder nur locker auf der Oberfläche sitzt.“ Mithilfe von Computersimulationen konnten die verschiedenen Einbauorte exakt identifiziert werden.
Die Kombination aus gezieltem Einbau und atomgenauer Bildgebung eröffnet neue Möglichkeiten für zwei zentrale Zukunftsfelder: Katalyse und Gassensorik. Einzelne Platinatome an genau definierten Stellen können als besonders effiziente Katalysatoren wirken – etwa bei der umweltschonenden Wasserstofferzeugung. Gleichzeitig lässt sich das Material so maßschneidern, dass es nur auf bestimmte Gasmoleküle reagiert. „Mit dieser Kontrolle über die Einbauorte können wir selektiv funktionalisierte Sensoren entwickeln – eine deutliche Verbesserung gegenüber bestehenden Methoden“, sagt Jani Kotakoski, Forschungsgruppenleiter an der Fakultät für Physik der Universität Wien.
Die vorgestellte Methodenkombination lässt sich nicht nur auf Platin und MoS2 anwenden, sondern prinzipiell auf viele weitere Kombinationen aus 2D-Materialien und Dotieratomen übertragen. Künftig soll der Ansatz weiterentwickelt werden – etwa durch feinere Steuerung der Defektbildung oder zusätzliche Nachbehandlungen. Ziel ist es, funktionale Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften zu entwickeln, bei denen jedes einzelne Atom am richtigen Platz sitzt.
TU Wien / JOL