11.11.2024

Quantenwirbel belegen Suprafluidität

Beobachtung von quantisierten Wirbeln in dipolaren Suprafestkörpern.

Materie, die sich zugleich wie ein Festkörper und wie eine Supra­flüssigkeit verhält, scheint unmöglich zu sein. Dennoch sagten Physiker vor mehr als fünfzig Jahren voraus, dass die Quantenmechanik einen solchen Zustand zulässt, in dem eine Ansammlung von ununter­scheidbaren Teilchen gleichzeitig scheinbar widersprüchliche Eigenschaften aufweisen. „Ähnlich wie Schrödingers Katze, die sowohl lebendig als auch tot ist, ist ein Supra­festkörper sowohl starr als auch flüssig“, erklärt Francesca Ferlaino vom Institut für Experimental­physik der Universität Innsbruck. Während die kristalline Anordnung, die die festen Eigenschaften eines Supra­festkörpers ausmachen, direkt beobachtet werden können, sind die supraflüssigen Eigenschaften viel schwerer zu fassen. Die Forschung hat verschiedene Aspekte von supra­flüssigem Verhalten bereits untersucht, der direkte Nachweis eines der ent­scheidenden Merkmale einer Supra­flüssigkeit – quantisierte Wirbel – hat bisher aber gefehlt.

Abb.: Simulation von Quantenwirbeln, die mit experimentellen Daten überlagert...
Abb.: Simulation von Quantenwirbeln, die mit experimentellen Daten überlagert wurden.
Quelle: U. Innsbruck

Nun hat das Team um Francesca Ferlaino diese Quantenwirbel in einem rotierenden zwei­dimensionalen Supra­festkörper beobachten können, was die lang erwartete Bestätigung für das supraflüssige Strömen in einem zur Rotation angeregten Supra­festkörper liefert und einen entscheidenden Schritt in der Erforschung modulierter Quantenmaterie darstellt. Dazu Studie haben die Wissenschaftler theoretische Modelle mit modernsten experimentellen Methoden kombiniert, um Quantenwirbel in dipolaren Suprafestkörpern zu erzeugen und zu beobachten – ein Kunststück, das sich als außerordentlich schwierig erwies. 

Das Innsbrucker Team hatte bereits 2021 einen Durchbruch erzielt, indem es den ersten langlebigen zweidimensionalen Super­festkörper in einem ultrakalten Gas aus Erbiumatomen erzeugte. „Der nächste Schritt – die Entwicklung einer Methode, um den Supra­festkörper zu drehen, ohne den fragilen Zustand zu zerstören – erforderte eine noch größere Präzision“, sagt Eva Casotti. Mit Hilfe hoch­präziser Techniken, die sich an der Theorie orientieren, nutzte das Team Magnetfelder, um den Suprafest­körper vorsichtig zu drehen. Dieses Umrühren führte schließlich zur Bildung von Quantenwirbeln, die als hydro­dynamischer Fingerabdruck von Supra­fluidität gewertet werden können. 

„Diese Arbeit ist ein wichtiger Schritt zum Verständnis des einzigartigen Verhaltens von Supra­festkörpern und ihrer potenziellen Anwendungen im Bereich der Quanten­materie“, erklärt Francesca Ferlaino. Die Experimente dauerten fast ein ganzes Jahr. Dabei wurden wesentliche Unterschiede zwischen der Dynamik von Wirbeln in Supra­festkörpern und in unmodulierten Quantenflüssigkeiten festgestellt und neue Erkenntnisse darüber gewonnen, wie die Eigenschaften von Supra­festkörpern und Festkörpern in diesen exotischen Quanten­zuständen koexistieren und interagieren.

Die Bedeutung dieser Entdeckung reicht weit über das Labor hinaus und könnte sich auf Gebiete der Festkörper­physik bis hin zur Astrophysik auswirken, wo ähnliche Quantenphasen unter extremen Bedingungen existieren könnten. „Unsere Ergebnisse öffnen die Tür zur Untersuchung der hydrodynamischen Eigenschaften exotischer Quanten­systeme mit mehrfach gebrochener Symmetrie, wie etwa Quantenkristalle und sogar Neutronen­sterne“, so Thomas Bland, der die Theoriearbeit am Projekt geleitet hat. „Es wird zum Beispiel angenommen, dass die in Neutronensternen beobachteten Änderungen der Rotations­geschwindigkeit – die Glitches -– durch supraflüssige Wirbel verursacht werden, die im Inneren von Neutronensternen eingeschlossen sind. Unsere Plattform bietet die Möglichkeit, solche Phänomene direkt hier auf der Erde zu simulieren.“ Supraflüssige Wirbel werden aber auch in Supra­leitern vermutet, die elektrischen Strom verlustlos leiten können.

U. Innsbruck / JOL

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