03.11.2008

Roboter entfalten ein Eigenleben

Max-Planck-Forscher finden einen mathematischen Zugang, der es autonomen Robotern ermöglicht, sich selbstbestimmt zu entwickeln



Max-Planck-Forscher finden einen mathematischen Zugang, der es autonomen Robotern ermöglicht, sich selbstbestimmt zu entwickeln

Einer Forschergruppe am Leipziger Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften ist es gelungen, eine neue mathematische Methode zu entwickeln, die Robotern und anderen künstlichen Wesen ein "eigenständiges Leben" ermöglicht. In Kooperation mit dem Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation in Göttingen gehen die Wissenschaftler der Frage nach, wie robotische Systeme - ganz aus sich heraus - ihre natürlichen Bewegungsmuster in spielerischer Weise entdecken und entwickeln können. Die künstlichen Wesen sind mit einem "Gehirn" ausgestattet, einem artifiziellen Nervensystem, das aus einem Kontrollzentrum und einem Selbstmodell besteht. Haben klassische Roboter im Wesentlichen vordefinierte Ziele, so eröffnet die Entwicklung aus eigenen inneren Antrieben heraus einen völlig neuartigen Zugang zur Realisierung "echter" robotischer Individuen.




Abb. Zwei humanoide Roboter erproben ihre Kräfte im "Wrestling"
(Bild: Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissenschaften)


Die bisher erzielten Ergebnisse sind in einer Reihe von Videodemonstrationen dokumentiert. So lernt ein virtueller Hund völlig eigenständig, ein Hindernis zu überwinden, Schlangen entwickeln die Fähigkeit zu springen und humanoide Roboter beginnen nach und nach die Vielfalt ihrer Bewegungsmöglichkeiten zu erkunden. Die Forscher beobachten auch, wie zwei humanoide Roboter scheinbar ihre Kräfte im "Wrestling" erproben. Das "Gehirn" kann in jede Art von Robotern implementiert werden. Es wurde bisher nicht nur in virtuellen Welten, sondern auch an realen Robotern getestet.

Ralf Der, ein leitender Wissenschaftler des Projektes, vergleicht den Prozess mit einem neugeborenen Baby. "Mit keinerlei Vorwissen ausgestattet, entdeckt es aus sich heraus zunehmend komplexere Bewegungsabläufe und erwirbt dabei ein Gefühl für seinen Körper und Wissen über seine Umwelt", sagt er.

Das Besondere an diesen Entwicklungen ist, dass die innere Motivation sich aus einem allgemeinen mathematischen Ansatz ergibt. Dieser beruht auf neuen Maßen für Informationsflüsse in der sensomotorischen Schleife, die in der Arbeitsgruppe von Nihat Ay untersucht werden. Antriebe zur Aktivität und intrinsisches Neugierverhalten ergeben sich allein aus der Optimierung dieser Informationsflüsse. Daraus leiten sich Mechanismen der Selbstregulation ab, die mit dem Prinzip der Homöokinese (R. Der) eng verwandt sind. Damit wird das Bestreben kognitiver Systeme modelliert, Information durch ihr Verhalten zu strukturieren. Ziel der Arbeitsgruppe "Informationstheorie kognitiver Systeme" ist es, Informationsflüsse in engem Zusammenhang mit der Morphologie und der Physis des jeweiligen Körpers zu studieren.

Die Forscher gehen davon aus, dass Gehirn, Körper und Umwelt ein dynamisches System darstellen, das nur im Zusammenwirken dieser funktionellen Einheiten verstanden werden kann. Die Untersuchung dieser Wechselwirkungen spielt eine entscheidende Rolle für das Verständnis von Informationsflüssen. Die mit einem künstlichen Nervensystem ausgestatteten robotischen Systeme bieten eine hervorragende Basis für das Verständnis kognitiver Fähigkeiten von Lebewesen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse beeinflussen ihrerseits die Realisierung technischer Systeme.

"Unser Ziel ist die Realisierung einer immer währenden, weitestgehend selbstbestimmten Entwicklung robotischer Individuen", sind sich Ralf Der und Nihat Ay einig. Gelingen soll dies durch verbesserte mathematische Methoden für die Bestimmung der Informationsflüsse und durch die Integration eines Langzeitgedächtnisses. Während die Roboter derzeit spontane Bewegungsabläufe ausführen, sollen sie bald in der Lage sein, auch zurückliegende Erfahrungen aufzugreifen und auf diesen aufbauend immer komplexere Bewegungsmuster zu entwickeln. Durch die Integration äußerer Lernvorgaben werden diese zunehmend auch von außen beeinflussbar sein. Die Forscher verfolgen damit die Vision vom weitgehend selbstbestimmten und doch lernwilligen Roboter.

Der interdisziplinäre Charakter dieses Ansatzes erfordert die Zusammenarbeit von Wissenschaftlern verschiedenster Forschungsrichtungen. Beteiligt sind neben dem Max-Planck-Institut und der Universität Leipzig (Ralf Der, Frank Güttler) das "Center for Computational Neuroscience" in Göttingen (Georg Martius), die "School of Informatics" der Universität in Edinburgh (Michael Herrmann), die University Heartfordshire (Daniel Polani) und das CSIRO in Sydney (Mikhail Prokopenko).

Max Planck Gesellschaft



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