Röntgenblick enthüllt überraschendes bei Supraleitern
Keramische Hochtemperatur-Supraleiter zeigen Ladungsdichte-Wellen.
Eine detaillierte Röntgenuntersuchung eines Vertreters der VBCO-Materialgruppe mit der DESY-Röntgenlichtquelle DORIS zeigt unerwartete strukturelle Verzerrungen bei sehr tiefen Temperaturen. Diese Ladungsdichte-Wellen haben großen Einfluss auf die Supraleitung. Die Analyse trägt zu einem besseren Verständnis der Hochtemperatur-Supraleiter bei, deren Funktionsweise auch mehr als 25 Jahre nach ihrer Entdeckung noch in vielen Teilen rätselhaft ist.
Abb.: Untersuchte Probe des Hochtemperatur-Supraleiters. (Bild: DESY)
Klassische Supraleiter müssen auf wenige Grad über dem absoluten Nullpunkt gekühlt werden. Das geht nur mit dem Edelgas Helium und ist aufwendig und teuer. Hochtemperatur-Supraleiter, spezielle keramische Verbindungen, leiten Strom dagegen oft schon oberhalb der Temperatur von flüssigem Stickstoff (minus 196 Grad) verlustfrei. Sie lassen sich deshalb mit verflüssigter Luft kühlen, was erheblich billiger und einfacher ist. Was genau in den Materialien vor sich geht, ist bis heute nicht vollständig geklärt. Je genauer Forscher diese Stoffe verstehen, desto besser können sie jedoch deren Eigenschaften maßschneidern – möglicherweise lässt sich auf diese Weise einmal ein supraleitendes Material finden, das bereits bei Zimmertemperatur verlustfrei Strom transportiert.
Mit Messungen am DESY konnte die Gruppe um Johan Chang von der EPFL nun beobachten, wie ein keramischer Supraleiter aus der weit verbreiteten YBCO-Gruppe in den widerstandfreien Zustand übergeht. Mit abnehmender Temperatur ordneten sich die normalerweise gleichverteilten Elektronen in dem Material in periodischen Mustern an. Auch die Gitter-Ionen des Kristalls verschoben sich entsprechend – es entstand eine wellenförmige Ladungsdichte, die bei sehr tiefen Temperaturen energetisch günstiger sein kann als die gleichmäßige Ladungsverteilung.
„Es war überraschend eine Ladungsdichte-Welle in einem Material mit einer so hohen Sprungtemperatur wie YBCO zu sehen, da dieses Phänomen eher von Nicht-Supraleitern bekannt ist“, erläutert der beteiligte DESY-Wissenschaftler Martin von Zimmermann. Die Ladungsdichte-Wellen beeinflussen die Supraleitung in dem Material, seine charakteristische Sprungtemperatur für den Übergang in den widerstandsfreien Zustand sinkt. Wird die Supraleitung mit einem Magnetfeld unterdrückt, verstärken sich die Ladungsdichte-Wellen. Das konnten die Forscher mit Hilfe eines Magneten beobachten, der über 300.000 Mal stärker ist als das Erdmagnetfeld und eigens von Forschern der Universität Birmingham aus dem Team entwickelt worden war. Die Wissenschaftler konnten außerdem die Verzerrung des Kristallgitters schon bei deutlich höheren Temperaturen als in vorangegangenen Magnetresonanz-Untersuchungen nachweisen. Diese Diskrepanz der beiden Untersuchungen müssen zukünftige Messungen klären.
Die Ladungsdichte-Wellen und die Supraleitung stellen zwei konkurrierende Konfigurationen des Materials dar, schließen die Wissenschaftler. „Mit dem Magnetfeld konnten wir das konkurrierende Verhalten von Ladungsdichte-Welle und Supraleitung wunderbar zeigen“, erläutert von Zimmermann. „Bei hohen Feldstärken ist die Ladungsdichte-Welle groß und die Supraleitung klein, bei kleinem Feld genau umgekehrt.“
DESY / OD