14.01.2016

Rosetta entdeckt Wassereis auf Tschuri

Erosion legt eishaltiges Material auf der Kometen-Ober­fläche frei.

Kometen bestehen zwar zu einem großen Teil aus Wassereis und in ihren Atmosphären, den sich in Sonnennähe bildenden Komas, findet sich überwiegt Wasserdampf. Aber auf den Oberflächen von Kometen war – bislang – von Wassereis nichts zu sehen. Jetzt aber haben Wissenschaftler mit dem Instrument VIRTIS auf der Raumsonde Rosetta an zwei Stellen auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko die Existenz von Wassereis auf der Oberfläche nachgewiesen. „Wir konnten in den Spektrometer-Daten vom September und November 2014 erkennen, dass in der Region Imhotep zwei metergroße helle Flecken tatsächlich aus Eis bestanden“, erklärt Gabriele Arnold vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt.

Abb.: Aufnahmen der Navigationskamera von Rosetta zeigen helle Flecken am Hang oberhalb der Imhotep-Ebene auf dem Kometen Tschurjumow-Gerassimenko. Hier fanden die Forscher jetzt Wassereis. (Bild: ESA)

Das ist eine wichtige Entdeckung. „Obwohl Wasserdampf das Hauptgas ist, das vom Kometen in seiner aktiven Phase in Sonnennähe abgegeben wird und die Koma bildet und auch das Innere des Kometen reich an Wassereis sein dürfte, ist seine Oberfläche an Eis verarmt“, erläutert Arnold. Offen­sicht­lich verdampft Eis relativ rasch, sobald es an der Oberfläche dem All ausgesetzt ist und zurück bleibt eine Kometenkruste, die wasserarm und dunkel ist und vorwiegend aus komplexen Kohlenstoffverbindungen und Mineralen besteht. „Das ist das, was wir auf den Bildern der Rosetta-Kameras OSIRIS und den Navigationskameras sehen - aber eben kein Eis.“

Infrarotuntersuchungen erlauben es, die stoffliche Zusammensetzung der Kometenoberfläche zu studieren. Auf Rosetta ist für diese Untersuchungen das Spektrometer VIRTIS – Visible and Infrared Thermal Imaging Spectro­meter – vorgesehen, das in Wellenlängen des sichtbaren Lichts und des nahen Infrarot operiert. Die für die Studie verwendeten VIRTIS-Unter­suchungen stammen aus den Monaten September bis November 2014, wurden also zu einem Zeitpunkt gemacht, als der Komet noch etwa 450 Millionen Kilometer weit von der Sonne entfernt, noch kaum aktiv war und Rosetta sehr nah an den Kometen heran fliegen konnte. Die Messungen zeigen zwei metergroße Stellen im Gebiet Imhotep – helle Flecke, die schon aufgrund ihres Kontrasts zur schwarzgrauen Umgebung im sichtbaren Licht zu beobachten sind und deren Untersuchung mit VIRTIS nun gezeigt hat, dass sie tatsächlich aus Eis bestehen.

Das Eis tritt an kleinen Steilhängen auf und wird mit Hangrutschungen in Verbindung gebracht, durch die es an die Oberfläche geriet. Die Temperatur betrug dort zum Zeitpunkt der Untersuchungen minus 120 Grad Celsius. Reines Eis nimmt dabei nur etwa vier Prozent der Fläche ein, die von einem VIRTIS-Beobachtungspixel abgebildet wird. Der Rest besteht aus dem dunklen Material. Aus den VIRTIS-Daten lässt sich auch herauslesen, welche Größe die Eiskörnchen haben. „Da haben wir eine interessante Beobachtung gemacht: Das Eis hat dort zwei ganz unterschiedliche Körnungen“, sagt Arnold. Die Forscher entdeckten zum einen ganz feine Eiskörnchen von nur einigen zehn Mikrometern Durchmesser, und eine zweite Klasse von Körnchen mit etwa zwei Millimeter Größe. Das deutet auf verschiedene Entstehungsmechanismen und auf unterschiedliche zeitliche Abläufe der Entstehung hin. Die größeren Körner verhalten sich ganz anders als die mikrometergroßen Eisteilchen, die in der Hapi-Region auf Tschurjumow-Gerassimenko entdeckt wurden. Diese werden als Frost oder Raureif interpretiert, der durch den zwölfstündigen Tag- und Nachtzyklus und als Ergebnis einer raschen Kondensation entsteht.

Im Unterschied hierzu dürften die Eiskörner in der Imhotep-Region eine komplexere Entstehungsgeschichte haben. Sie formten sich wahrscheinlich langsam und wurden erst durch kometare Aktivität und den daraus folgenden Erosionsvorgängen freigelegt. Zunächst konnten dabei winzige Eiskörner entstehen, die dann zu größeren sekundären Partikeln anwuchsen. Eine Möglichkeit für solche Prozesse bietet eine Art Sintern, ein Zusammenbacken, oder eine zunehmende Verfestigung der porösen Altstruktur. Durch den Verlust flüchtiger Bestandteile beim Verdampfen von Wassereis, der Sublimation, und dem anschließenden Ausfrieren des Wasserdampfs, der Rekondensation, werden Hohlräume und die Kanäle zwischen den Hohlräumen nach und nach geschlossen und die Eispartikel verdichtet.

Die Sonnenstrahlung dringt in die Kometenoberfläche ein und löst die Sublimation des Untergrundeises aus – während ein Teil des sublimierten Eises als Wasserdampf die Koma speist, rekondensiert ein anderer Teil bereits wieder in den Eisschichten. Neben dem Sonnenlicht könnte die Umwandlung von amorphem in kristallines Wasser eine weitere Energie­quelle für die Sublimation von Untergrundeis sein. Das Anwachsen der Eiskörner könnte Schicht um Schicht erfolgen und deshalb Auswirkungen auf die globale Struktur des Kometen haben. Dünne Eisschichten, die freigelegt werden, könnten dann Resultate der kometaren Veränderung sein. Die neuen Ergebnisse könnten zeigen, dass eine Schichtstruktur nicht zwingend schon in der Frühgeschichte des Kometen vorhanden gewesen sein musste. Verstünde man besser, wann welche dieser Strukturen während der Entwicklung des Kometen entstanden sind, und welche die Überbleibsel seiner Frühgeschichte sind, würde das einen neuen Einblick in die Entstehung dieser Körper geben. Gegenwärtig untersuchen die VIRTIS-Wissenschaftler, ob und wie sich die Eisvorkommen an der Kometen­ober­fläche während der Annäherung an die Sonne im Jahre 2015 verändert haben.

DLR / RK

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