23.09.2015

Schall macht Kanten klar

Evaneszente Schallwellen veraten neuem Apparat schnell die Form von Objekten.

Mit zurückgeworfenem Schall kann man Objekte sichtbar machen: In der Schifffahrt liefert das Echolot Informationen zum Meeresboden oder zu Fischschwärmen, und Gynäkologinnen nutzen Ultraschallbilder, um Ungeborene im Mutterleib zu untersuchen. Ebenfalls auf Ultraschall basieren Materialprüfungsverfahren, mit denen Eisenbahnschienen oder die Tragelemente von Flugzeugen regelmässig auf Risse untersucht werden.

Abb.: ETH-Schriftzug aus Kunststoff, Schrifthöhe: Sieben Zentimeter und das daraus gewonnene Kantenbild. (Bild: M. Molerón et al. / NPG)


Forschende der ETH Zürich entwickelten nun eine neue Art von akustischer Bildgebung – eine, die nicht ein ganzes Objekt fotorealistisch wiedergibt, sondern nur dessen Konturen und Kanten. „Das Resultat dieser Art von Messung ist vergleichbar mit dem Effekt, den man mit dem Kantenerkennungsfilter von Bildbearbeitungssoftware erzielt: Per Mausklick können dort die Umrisse von markanten Objekten auf Fotos erkannt werden", erklärt Chiara Daraio. Ihre Methode basiert nicht auf einer Software, sondern sie filtert die Information zu den Konturen bereits während der akustischen Messung heraus.

Um das Funktionsprinzip des akustischen Kantenerkennungsfilters zu verstehen, muss man wissen, dass Schallwellen an Kanten auf bemerkenswerte Weise reflektiert werden: Es entstehen dort evaneszente Wellen. Diese haben eine deutlich kürzere Wellenlänge als die einfallenden Schallwellen, die sie erzeugten. Außerdem zerfallen evaneszente Wellen während ihrer Ausbreitung rasch. Sie sind daher nur im Nahbereich dieser Kanten messbar. Zwar gab es schon bisher Methoden, diese Wellen zu messen. Den Forschenden ist es nun aber gelungen, die evaneszenten Wellen mit einer neuen Methode zu verstärken und vom normal reflektierten, längerwelligen Schall zu unterscheiden.

Kernstück der Methode ist eine neue Polymer-Struktur, die Miguel Molerón entwickelte und auf einem 3D-Drucker herstellte. Es handelt sich dabei um ein Rohr mit quadratischem Querschnitt. Im Innern ist es in fünf nebeneinanderliegende Resonanzkammern unterteilt. Kleine Fenster verbinden die Kammern miteinander. „Diese Struktur verstärkt über die Resonanz die evaneszenten Wellen. Durch den regelmässigen gekammerten Aufbau werden die längeren Wellen herausgefiltert", erklärt Molerón. Am Kopfende der Struktur messen vier Mikrofone den übertragenen Schall.

Abb.: Die 3D-gedruckte Polymer-Struktur mit den fünf Resonanzkammern, links die vier Mikrofone; die Struktur ist rund 2,5 Zentimeter breit und hoch. (Bild: M. Molerón / ETHZ)

Um ein Umrissbild von einem Objekt zu erstellen, beschallten die Wissenschaftler das Objekt über einen Lautsprecher mit einem Ton einer bestimmten Frequenz. Auf einem Roboter befestigten sie die Polymer-Struktur mit den Mikrofonen sehr nahe an der Objektoberfläche. So scannten sie systematisch die ganze Oberfläche. Aus der gemessenen Schall-Information konnten sie das Umrissbild erzeugen.

Nach Auskunft der Wissenschaftler bringt die neue Messmethode überall dort Vorteile, wo es nicht darum geht, von einem Objekt ein perfektes Bild zu erhalten, sondern wo man möglichst schnell relevante Objektinformationen erfassen muss. „Wir haben eine Methode der akustischen Bildgebung geschaffen, bei der nicht benötigte Information gar nicht erst erfasst wird", sagt Daraio. „Um beispielsweise Objekte anhand ihrer Form und Größe zu klassifizieren, reichen Umrisse und Kanten aus. Ebenso, um Risse oder oberflächliche Materialfehler erkennen zu können", ergänzt Molerón.

Bei der Arbeit der Forschenden handelt es sich um eine Machbarkeitsstudie. Bis zur Anwendungsreife bedarf es noch weiterer Entwicklung. Für die Studie benutzten die Wissenschaftler Schall im hörbaren Bereich. Interessant wäre jedoch auch, die Methode für den kürzerwelligen Ultraschall-Bereich anzupassen. „Da die Ausmasse der Polymer-Struktur auf die Wellenlänge abgestimmt sein muss, müssen wir dazu die Struktur miniaturisieren. Wir wollen nun herausfinden, wie weit wir dabei gehen können", sagt Molerón. Sein Ziel ist, die akustische Bildgebung zu verbessern – für mögliche Anwendungsgebiete in der biologischen Forschung oder der Medizin.

ETH Zürich / PH

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