28.10.2015

Schillernde Linkshänder

Elektronenmikroskopie verrät bevorzugte Chiralität photonischer Kristalle bei Schmetterlingen.

Wissenschaftlern der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) ist es gelungen, die dreidimensionale Form kleinster photonischer Kristalle in Schmetterlings­flügeln präzise zu bestimmen. Mit ihren Ergebnissen tragen sie dazu bei, den Entstehungs­prozess dieser periodischen Strukturen, die die Farbgebung vieler Schmetterlinge bestimmen, besser zu verstehen. In Zukunft könnte man die Erkenntnisse auch für die Konzipierung neuer optischer Materialien nutzen.

Abb.: Die Flügel des Grünen Zipfelfalters bestehen aus Chitin-Schuppen, die wiederum aus photonischen Kristallen aufgebaut sind. (Bild: CENEM, FAU)

Anders als bei einer Wandfarbe wird die Farbe vieler Schmetterlinge nicht durch Pigmente hervorgerufen, sondern durch photonische Kristalle, die zu Hunderten in den Schuppen der Schmetterlings­flügel vorliegen. Photonische Kristalle sind regelmäßige Strukturen aus Chitin, einem Mehr­fach­zucker, der für seine struktur­bildenden Eigenschaften bekannt ist. Beugung und Interferenz führen dazu, dass nur gewisse Anteile des einfallenden Lichts reflektiert werden, wodurch der Farbeindruck und das charakteristische Schimmern entstehen. Photonische Kristalle treten nicht nur in Schmetterlings­flügeln auf, sondern bestimmen auch die schillernden Farben von Käfern und Muscheln.

Bei einigen Schmetterlingen besitzen die photonischen Kristalle eine Chiralität, das heißt eine Spiral­struktur, die entweder links- oder rechts­händig gedreht ist. Ein prominentes Beispiel ist der Grüne Zipfel­falter (Callophrys rubi), der in weiten Bereichen Nordafrikas und Europas vorkommt und eine chirale Struktur aufweist, die Gyroid genannt wird. Um die Vorgänge bei der Metamorphose zum Schmetterling besser verstehen zu können, ist es für Evolutionsforscher interessant, ob die Händigkeit der Chitin­struktur im Entstehungs­prozess des Schmetterlings zufällig auftritt oder nicht. Bei der Beantwortung dieser Frage konnten nun FAU-Werkstoff­wissenschaftler weiterhelfen.

Dafür haben die Wissenschaftler um Erdmann Spiecker vom Lehrstuhl für Mikro- und Nano­struktur­forschung die Schmetterlings­flügel mit dem Titan3, einem der weltweit modernsten Trans­missions­elektronen­mikroskope, am Center for Nanoanalysis and Electron Microscopy (CENEM) der FAU untersucht. Ähnlich einer Computertomographie wird dabei die 3D-Struktur des Objekts aus einer Vielzahl von Einzel­projektionen rekonstruiert. Durch die Verwendung schneller Elektronen statt Röntgen­strahlen wird bei der Elektronen­tomographie allerdings eine um ein Vielfaches bessere Auflösung erzielt. So konnten die Forscher erstmals zeigen, dass in den Schmetterlings­flügeln beide Händigkeiten auftreten, die linkshändige Chiralität aber weitaus häufiger vorkommt.

Die Ergebnisse widerlegen etablierte Modelle, die davon ausgehen, dass die Ausbildung einer bestimmten Chiralität im Entstehungsprozess rein zufällig erfolgt und daher eine Gleichverteilung der auftretenden Händigkeiten vorhersagen. „Evolutions­forschern stellt sich jetzt die Aufgabe, die entscheidenden Prozesse auf molekularer Ebene zu identifizieren, die zu der bevorzugten Chiralität führen. Hieraus werden entscheidende Impulse für das Verständnis der Metamorphose von Schmetterlingen und anderen Insekten erwartet. Ein solches Verständnis könnte in Zukunft auch neue Wege für die Herstellung innovativer optischer Materialien aufzeigen“, sagt Prof. Spiecker.

FAU / DE

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